Interview mit: Manon Wollert

CityGlow

30. Januar 2021

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Gegen Ausgrenzung. Für mehr Toleranz.

Die Kritk an der nachfolgenden Generation durch die Älteren ist vermutlich so alt, wie unsere gesamte Zivilisation. Schon in der Antike klagten Philosophen und große Denker über den Werteverfall und fehlende Tugendhaftigkeit der jüngsten Mitglieder ihrer Gemeinschaft.

Diese kritische Haltung und Vorurteile haben bis heute Bestand. Jugendliche gelten als konsumorientiert und unpolitisch. Gar ein Hang zum absoluten Egozentrismus steht häufig im Raum.

Doch lautstarke Bewegungen und Aktivisten für Klimaschutz und Menschenrechte auf der ganzen Welt zeichnen ein anderes Bild. Die nächste Generation ist unbequem, engagiert und fordert uns alle auf, unser Denken zu hinterfragen.

Ein gutes Beispiel für dieses Engagement und Weitblick ihrer Generation ist Manon Wollert. Die junge Frau setzt ein Zeichen gegen Vorurteile und Ablehnung ein.

Themen, mit denen sie selbst in ihrem Leben immer wieder zu kämpfen hatte.

Wir sprachen mit ihr über Engagement und ihren eigenen Weg im Umgang mit der Hautveränderung Naevus flammeus. Im umgangssprachlichen auch als Feuermal bezeichnet, handelt es sich um einen meist dunkelroten Fleck auf der Haut, verursacht durch stark erweiterte Blutgefäße.

Zunächst einmal herzlichen Dank für deine Bereitschaft zu diesem persönlichen Einblick. Vielen jungen Menschen unterstellt man Untätigkeit oder gar fehlendes Interesse. Wie hast du dich in der Vergangenheit eingebracht? Was ist dein Antrieb?

Vor zwei Jahren habe ich mein Abitur absolviert. Während dieser Zeit habe ich viele Ämter ehrenamtlich übernommen. Ich war Schulsprecherin, Jahrgangssprecherin, Sprecherin des Schülerrats Hildesheim. Vermutlich, weil ich schon immer gerne Verantwortung übernommen habe und grade in den letzten Jahren meiner Schulzeit auch zu einem Menschen geworden bin, der nicht der breiten Masse folgt und zu allem Ja und Amen sagt. Nach der Schule habe ich eine Ausbildung zur Medienkauffrau bei der MADSACK Medien Gruppe angefangen. Diese schließe ich am 12.01.2021 ab. In dieser Zeit habe ich viel über mich gelernt und rausgefunden, was mir in der Praxis wirklich Spaß macht. Ab Januar bin ich dann als Assistenz der Geschäftsführung des RND tätig und freue mich schon sehr auf die neue Aufgabe.

Was bedeuten  für dich, die Begriffe Toleranz und Offenheit?

Toleranz bedeutet für mich, jeden zu akzeptieren wie er ist. Was im Umkehrschluss aber nicht bedeutet, dass ich mich mit jedem Menschen verstehen muss. Es bedeutet, jeden sein Leben leben zu lassen, wie er es möchte. Es bedeutet, mich auch für die Sichtweisen, Meinungen und Einstellungen anderer zu interessieren und auch zu informieren. Wären wir alle tolerant, hätte Rechtsextremismus auch keine Chance.

Offenheit brauchen wir alle, um tolerant zu werden. Wir müssen offen sein, zuhören und uns informieren, um feststellen zu können, mit was wir es zu tun haben. Nur so lassen sich Vorurteile abschütteln. Denn Offenheit bedeutet, jedem eine Chance zu geben und ihm nicht gleich einen Stempel aufzudrücken, ohne jemals versucht zu haben, ihn richtig kennenzulernen. Zudem können wir nur durch Offenheit Neues kennenlernen, was unser Leben wohlmöglich bereichern mag.

Du hast in deiner Vergangenheit selbst unter den Blicken anderer Menschen gelitten. Wie war dein Weg zu Selbstliebe? Das du nun in der Lage bist, anderen Menschen ein Vorbild zu sein.

Das ist ein Weg, der niemals aufhört. Niemand wacht auf und liebt sich auf einmal für den Rest seines Lebens. Das Leben verändert sich ständig und so verändert sich auch immer die Liebe zu uns selbst. Der Schlüssel ist, zu erkennen, dass wir alle eine Beziehung mit uns selbst führen und an dieser ständig arbeiten müssen. Natürlich fängt man aber nicht immer von vorne an. Der erste Grundstein war bei mir, mir bewusst zu machen, dass ich mehr als genug bin und nicht jedem gefallen muss. Im Kindergartenalter sowie in der Grundschule, hatte ich wenig mit Anfeindungen wegen meinem Aussehen zu tun. Viel schlimmer war mein eigener Kopf, wenn ich nach einer erneuten Laseroperation in den Spiegel gesehen habe. Ich habe mich – und das tue ich noch immer – gefühlt wie ein Monster und konnte mich höchsten zwei Sekunden ansehen. In der Pubertät kam dann schon der Wunsch auf, „normal“ zu sein. Woher dieser kam, das weiß ich bis heute nicht. Ich habe mein Feuermal überschminkt, mich damit aber nie wirklich wohl gefühlt. Auch in dieser Zeit haben mich Beleidigungen begleitet – und ja, sie haben mich sehr verletzt. Aber irgendwann, Schritt für Schritt habe ich gelernt damit umzugehen. Wenn ich jetzt beleidigt werde, dann prallt das zwar nicht komplett an mir ab, aber da ich mein Feuermal liebe, wird diese Einstellung von niemanden mehr zerstört werden können. Wie man sich selber liebt? Dafür gibt es kein Rezept. Ich für meinen Teil, habe irgendwann bewusst wahrgenommen, dass ich es schon immer mochte besonders zu sein. Anders sein ist schön! Und ich glaube, genau das ist das Problem so vieler Menschen. Sie haben Angst davor, anders oder besonders zu sein. Man verschwindet lieber in der Masse.

Zudem war für mich ein wichtiger Punkt, dass ich mir nicht vorstellen konnte, mich mein Leben lang zu verstecken. Ich hatte ein paar Geschichten gehört, dass viele Frauen ihren Männern nie erzählt hatten, dass sie ein Feuermal haben. Sie stehen jeden Morgen lieber zwei Stunden vor ihren Männern auf, um das Feuermal abzudecken, als es ihnen zu zeigen. Aus Angst, er könne sie dann nicht mehr lieben. Für mich war und ist das eine unglaublich schreckliche Vorstellung. Zum einen will ich mich nicht verstecken und die ganze Zeit nur daran denken müssen, dass mein Make-Up nicht verschmiert. Zum anderen frage ich mich, was ich mit einem Mann oder allgemein mit Menschen in meinem Leben will, die mich nicht so akzeptieren können wie ich bin? Niemand sollte jemanden in seinem Leben haben, der einem sagt, dass man viel schöner wäre, wenn man nicht das Feuermal, die Nase oder das Lachen hätte.

Zuletzt habe ich dann gemerkt, dass ich die Aufmerksamkeit genießen kann und vor allem, dass sich daraus etwas Schönes für andere machen lässt: Ich kann dadurch andere Menschen inspirieren und ihnen helfen, indem ich meine Geschichte erzähle. Dadurch, dass ich mit dem Feuermal sowieso schon öfter im Mittelpunkt stehe, kann ich diese Aufmerksamkeit gleich für etwas Gutes nutzen. Ich sage meine Meinung, klar und ehrlich. Ich trete für andere ein, indem immer wieder Positionen wahrnehme, in denen es genau darum geht, andere zu vertreten. Das Feuermal hat also mein Charakter geformt. Ich bin stark und gleichzeitig durch meine eigene Geschichte unglaublich mitfühlen. Ich möchte das alles nutzen, um anderen, aber auch mir, wenn es mir mal nicht gut geht, zu helfen.

Abschließend kann ich noch sagen, dass ich glaube, dass es unterschiedliche Arten von Selbstliebe gibt. Ich habe gemerkt, dass ich eine ganz andere Einstellung und Selbstliebe zu meinem Feuermal, als zu meinem Charakter habe. Und hier greife ich den Anfang wieder auf: Meinen Charakter zu lieben, ist grade das woran ich arbeiten muss.

Ganz klar, muss man aber auch sagen: Es geht einem nicht immer gut. Ich stehe auch nicht jeden Morgen auf und mag mich zu 100 Prozent selbst. Aber auch das ist normal. Hat man dies häufig, sollte man sich fragen, was einen genau unglücklich macht und was man an dieser Situation ändern kann. In den meisten Fällen hilft es, einfach darüber zu reden. Und natürlich habe ich auch kleine Macken durch das Feuermal, es ist ganz klar nicht alles toll – aber es kommt immer darauf an, was man daraus macht. 

Hast du bestimmte Rituale oder Abläufe, die dir in besonderes schwierigen Stunden helfen?

Während und nach einer Laseroperation helfen mir nur meine Lieben. Das sind ganz klar Phasen, in denen es mir schlecht geht und man mich garantiert nicht nach einem Rat bezüglich Selbstliebe fragen könnte. Das zu überstehen schaffe ich nur, durch die Liebe anderer.

Grundsätzlich hilft es mir enorm, daran zu glauben, dass alles einen Grund hat und das alles zur richtigen Zeit kommen wird. Grade dieses Jahr hat mich sehr mitgenommen Und nein, nicht wegen Corona – und im Nachhinein sehe ich aber, was mir diese negative Zeit doch alles Positives gebracht hat. An diesen Gedanken festzuhalten hilft mir besonders, genauso wie immer etwas Positives an jeder Situation zu suchen. Ja, auch das klappt nicht immer, aber ich probiere es.

 

Du übernimmst mit deiner Offenheit eine echte Vorbildfunktion. Nicht nur für junge Menschen. Viele Menschen kämpfen mit Selbstzweifel. Hast du einen Ratschlag für all jene, die solche Zweifel in sich tragen?

In diesen Worten sind schon einige Ratschläge. Aber hier kommt natürlich noch etwas:

Du steckst in einer schwierigen Situation? Du fühlst dich unwohl? Zu allererst: Lass deinen Gefühlen freien Lauf. Weine ruhig, schrei ruhig, wonach dir auch immer ist. Unterdrückte Gefühle sind nämlich die schlimmsten und vor allem, ist auch Trauer und Wut etwas völlig Normales.

Überleg dir, wer dir guttut. Nicht alles musst und kannst du alleine schaffen. Aber frage dich, wer dir wirklich hilft. Es kann auch Wunder bewirken, wenn man sich Hilfe bei einem Therapeuten/Heilpraktiker sucht, um jemanden Fremdes die Situation bewerten zu lassen.

Nimm dir Zeit für dich. Man muss auch mal alleine sein können, um schwierige Themen zu verarbeiten.

Sei dir immer bewusst, dass du wunderbar bist und alles andere sich richten lässt.

Fotos: alleyeuonmanon






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