PERSPEKTIVE DURCH SELBSTHILFE
Der Kern der Organisation ist nicht der Verkauf der monatlichen Asphalt Auflage. Im Mittelpunkt steht die Kommunikation der Verkäufer mit ihren Kunden. Gespräche, netter Smalltalk und der Austausch mit den Menschen in der unmittelbaren Umgebung. Die Verkaufenden von Asphalt sind ein fester Bestandteil der Stadtgemeinschaft. Die Arbeit gibt mehr als nur Geld. Sie stiftet einen Sinn und Struktur im Tag.
Die Arbeit bietet ein Stück Normalität in einer schwierigen Zeit.
Manchmal kurze Phasen. Manchmal ganze Lebensabschnitte. Für sie ist es ein Zeichen der Wertschätzung und eine Verbindlichkeit. Etwas das fordert und ein Gespräch mit anderen Menschen bringt.
Es ist eine feste Routine und Bestandteil des alltäglichen Lebens. Die Aspalt Mitarbeiter betonen immer wieder in Gesprächen und Interviews, wie entscheidend diese menschliche Komponente für sie ist. Ohne diese tägliche Interaktion fehlt den Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens.
Im letzten Jahr haben wir viel über die Herausforderungen für Gesellschaft und unsere Wirtschaft berichtet. Doch dabei lassen wir meist außer Acht, welche Folgen die Pandemie für die Bedürftigen und Schwächsten in unserer Gesellschaft hat. Menschen ohne Dach über dem Kopf und ohne eine finanzielle Absicherung trifft diese Krise besonders hat.
Die Verluste durch den fehlenden Außenverkauf konnte durch großzügige Spenden und Fördergelder ausgeglichen werden. Der Verkauf musste über Wochen und Monate ausgesetzt werden. Zu groß war die Gefahr einer möglichen Ansteckung. Die gesamte Logistik und Organisation im Hintergrund war bedroht durch den Verlauf der Pandemie. Egal ob Redakteur im Hauptsitz, oder die Ausgabe der Hefte. Es galt stets Menschenansammlungen zu vermeiden.
Das “Asphalt – Magazin” wurde 1994 von Walter Lampe initiiert und im Verkauf auf den Straßen in Hannover als Nachfolgetitel der “HIOB’s-Botschaften”. Asphalt folgt ganz dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Bedürftigen Menschen wird eine Perspektive durch ihre eigene Arbeit geboten. Ein Leben ohne die Notwendigkeit zu betteln!
Das Asphalt Magazin bietet den Beteiligten mehr als nur eine Erwerbstätigkeit: Die Mitarbeiter und Teilnehmer bilden eine kleine Gemeinschaft. Man unterstützt sich gegenseitig, kocht zusammen oder wird bei wichtigen Dingen des alltäglichen Lebens.
Der Asphalt Verlag mit Sitz in der Oststadt wird komplett getragen von den Gesellschaftern “Diakonisches Werk Hannover” und “Hannoversche Initiative obdachloser Bürger”.
Die Finanzierung bestreitet sich vollständig selbst durch Spenden sowie über Einnahmen aus den Straßenverkäufen und Werbeanzeigen. Mit interessanten monatlichen Auflagen, wohnungslosen, langzeitarbeitslosen oder generell bedürftigen Menschen durch Verkauf eine Perspektive.
Bildmaterial:
Asphalt Hannover
Asphalt – ein Projekt mit Dreifach-Wirkung
Vor 27 Jahren wurde in Hannover ein Straßenmagazin gegründet, das heute Menschen nicht nur Perspektive gibt, sondern auch Sozialarbeit leistet
Am Anfang war das Wort, oder besser gesagt: Worte: Vor 27 Jahren erschien in Hannover erstmals „Asphalt“, das Straßenmagazin. „Ziel war es, mit dem Magazin die Menschen in Hannover und anderen Orten über die Problematik Wohnungslosigkeit und Armut zu informieren“, sagt Heiko Deppe vom Diakonischen Werk, Stadtverband Hannover, das Hauptgesellschafter von Asphalt ist. Heute ist „Asphalt“ aber weit mehr als ein Straßenmagazin, das Menschen in Notlagen über den Straßenverkauf des Magazins Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. „Asphalt“ leistet für seine Verkäufer:innen auch Sozialarbeit, organisiert Veranstaltungen, immer um Eins zu verwirklichen: Den Menschen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, denen es aus eigener Kraft nicht möglich ist.
„Das Magazin ist und bleibt die Grundlage der Arbeit von Asphalt, hierzu zählt sicher auch die Präsenz der Verkäufer:innen in der Öffentlichkeit“, sagt Asphalt-Geschäftsführer Georg Rinke. Er betont aber auch: „Fakt ist, wir sind kein Magazin, wir haben ein Magazin.“ Das Ziel sei zwar immer noch dasselbe – Menschen über Arbeit und in Würde eine Chance zu geben. „Aber der Bereich Sozialarbeit, die Rückführung in „normale“ Lebensumstände, das (Wieder-)herstellen von „Würde“, bei uns auch über den Tod hinaus (Baum im Ruheforst), das sind Themen die mehr an Bedeutung gewinnen“, erklärt Rinke: „Es reicht einfach nicht mehr, ein Magazin zum Verkauf anzubieten.“
Ideen, wie das umgesetzt werden kann, gibt es Einige. Das Team von „Asphalt“ setzt dabei auf Zusammenarbeit von verschiedenen Institutionen in Hannover, um beispielsweise einen spezieller Frauenrundgang oder Stammtische in verschiedenen sozialen Einrichtungen umzusetzen. Der Asphalt-Geschäftsführer ist dabei ein unermüdlicher Netzwerker, wenn es darum geht, Menschen und Organisationen zusammenzubringen. „Die Vernetzung der sozialen Einrichtungen, aber eben auch zur Wirtschaft und Politik, ist heute eine unerlässliche Voraussetzung, um sich „am Markt“ zu behaupte“, betont er. Ziel sei es, Bedürftige insgesamt. Aber besonders auch die Verkäufer:innen des Magazins zu stärken. „Das geht nur gemeinsam.“
Aber eben auch nur mit dem Magazin. Es bietet den Menschen über den Verkauf nicht nur eine kleine Einnahmequelle, sondern beispielsweise auch Struktur in ihrem Tagesablauf. Während der Corona Pandemie war das zehn Wochen lang nicht möglich. „Die finanziellen Einbußen konnten wir etwas auffangen“, erklärt Rinke. Wöchentlich erhielten die Verkäufer Einkaufsgutscheine in Höhe von 25 Euro, die durch Spenden zusammenkamen. Doch etwas mindestens genauso Wichtiges fiel ebenfalls weg: die sozialen Kontakte. „Man muss immer bedenken, dass der Verkaufsplatz für unsere Verkäufer auch immer ihre soziale Kontaktbörse ist“, erklärt Rinke.
Das Magazin mag zwar nicht mehr alleiniger Mittelpunkt von „Asphalt“ sein, aber es ist ein wichtiges Rad im Gesamtprojekt „Asphalt“. Damit das weiterhin wie geschmiert läuft, müssen sich auch Redaktion und Vertrieb Gedanken um die Zukunft machen. Schließlich soll Asphalt auch gekauft werden. „Dafür ist es notwendig, im Heft weiterhin Qualitätsjournalismus, der aufpasst und unterhält, zu liefern“, erklärt Chefredakteur Volker Macke. Schließlich sollten die Verkäufer:innen sich nicht schämen müssen, die Zeitung anzubieten. „Denn Scham ob ihrer Situation, ob ihrer Brüche, Süchte und ihres Scheiterns empfinden sie eh schon genug“, betont er.
Rund 200 Verkäufer:innen gibt es inzwischen. Doch es könnten gerne noch mehr werden. „Asphalt“ erscheint inzwischen auch in Göttingen und Oldenburg. Ein kleiner Ableger in Kassel kam ebenfalls hinzu. Als das dort ansässige Straßenmagazin eingestellt wurde, „übernahm“ man die dortigen 50 Verkäufer:innen. So kam es auch zur Zusammenarbeit mit der Documenta – und ein medienwirksamer Coup: „Asphalt“ durfte als einzige Zeitung weltweit vorab die Künstler vorstellen – und hatte diese Nachricht exklusiv für fünf Tage! Mit Stolz konnten die Verkäufer:innen das Heft auf der Straße anbieten – immer mit dem Hintergedanken, Teil eines ganz besonderen Projekts zu sein.
Auch Heike Schmidt ist begeistert, jetzt zum „Asphalt“-Herausgeberkreis von Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes und Kabarettist Matthias Brodowy zu gehören. Die langjährige HAZ-Redakteurin und Madsack-Führungskraft, die inzwischen PR für einen Verband macht, ist seit dem 1. Januar 2022 im Team. Für sie ist „Asphalt“ eines der nachhaltigsten journalistischen Projekte, die es gibt. „Und das war Asphalt lange, bevor das Wort „Nachhaltigkeit“ modern wurde“, betont sie. Zumal dieses Projekt dreifach wirkt: „Wir erreichen zwei Zielgruppen: zum einen diejenigen, die über den Verkauf des Magazins eine Chance erhalten, zum anderen aber auch die Menschen, die über diesen nachhaltigen Konsum helfen und sich informieren können. Und zum Dritten können wir mit den Projekten von Asphalt das Bewusstsein und die praktische Umsetzung von gelebter Sozialarbeit fördern.“