Alessandro hatte bereits ein sehr bewegtes Leben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bereits als Kind begann er mit dem Turnen. Und schon mit zwölf Jahren hatte er die ersten Berührungspunkte mit der chinesischen Kultur – im Besonderen chinesischer Akrobatik. Diese Zeit sollte für seinen weiteren Lebensweg prägend sein und Jahre später von entscheidender Bedeutung für ihn werden. Nach dem zweiten Platz beim Braunschweiger Filmfest folgten eine Einladung nach Berlin und später sogar nach China. Im Land der Rekorde sollte das Nachwuchstalent aus Deutschland einen Film mit Jackie Chan verstärken.
Nach einem Zusammenbruch am Aegi diagnostizierten die Ärzte zunächst Krebs. Doch das fehlende Gefühl in seinen Beinen und andere Symptome deuteten schnell auf etwas anderes hin: Er leidet an Multipler Sklerose. Diagnose: Rollstuhl für den Rest des Lebens. Unheilbar. Ursache zunächst unbekannt.
Mit neuem Antrieb heraus aus der Frustration
Für jeden Menschen sind körperliche Beschränkungen belastend. Doch wie belastend müssen sie erst für einen Menschen sein, der Bewegung und die Beherrschung seines Körpers durch jahrelanges Training perfektioniert hat? Nach unterschiedlichen Phasen der Verzweiflung von Wutanfällen über schiere Ohnmacht bis hin zu einer absoluten Lethargie kam ein Moment der Erleuchtung. Eine Nacht, in der es einfach Klick bei ihm machte. Wie ein Schalter, der bewusst oder unbewusst in seinem Inneren umgelegt wurde. Er rief seine Mutter und bat sie, sein Zimmer komplett zu leeren. Alle Plakate. Alle Erinnerungsstücke. Alle Ablenkungen.
Von dieser Zeit an verschlang er alles Wissen über seine Erkrankung. Er tauschte sich mit anderen Patienten aus und begann, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und seinen eigenen Erfahrungen, zu experimentieren. Nachdem die klassische Schulmedizin immer wieder versagt hatte, suchte er den Rat bei Experten der chinesischen Medizin in Peking und der Schweiz. Im Laufe der Zeit erzielte er erste Erfolge mit ketogener Ernährung.
Neue Hoffnung durch die Symbiose von Tradition und moderner Forschung
Entgegen aller Wahrscheinlichkeit und mit unbeschreiblicher Willenskraft kam er auf die Beine. Zunächst war es nur ein kurzes Stehen auf den eigenen Füßen. Dann kamen ein paar Schritte und wenig später sogar kurze Strecken. Doch die Krankheit ist tückisch und kommt in Schüben.
Nach jahrelanger Zwangspause kämpft er sich zurück auf die Bühne. Als Performer und sogar als Schauspieler stand er vor jubelten Mengen der Semperoper in Dresden. Auf das Hoch folgte jedoch der Absturz, auf dem Weg zu einem Auftritt in Rom bricht er 2019 nahezu bewegungsunfähig zusammen. Ein Déjà-vu mit üblem Beigeschmack. Doch er lässt sich nicht unterkriegen. Die Forschung bleibt nie stehen und auch seine eigenen Versuche mit Ernährung und Infusionen führen zu einem nahezu kompletten Stillstand der Krankheit. Aktuell treibt der ambitionierte Lebenskünstler und Kämpfer seine schauspielerische Karriere voran und arbeitet außerdem an einer Dokumentation zur Aufarbeitung seiner bisherigen Leidensgeschichte. Er will anderen Menschen mit derselben Erkrankung Hoffnung geben und ihnen vor allem neue Wege aufzeigen. Für ihn war die Verbindung von traditioneller chinesischer Medizin mit modernsten Erkenntnissen der Schlüssel. Sein Weg zurück auf die eigenen Füße.