„Ich bin alt und renitent, ich habe keine Zeit mehr für oberflächliche Gespräche“, diesen Satz sagte ich kürzlich zu einem alten Schulfreund, der mir das Gott sei Dank nicht einmal übelnahm. Wofür ich auch keine Zeit mehr habe ist, stundenlang im Auto zu sitzen, um zu meinem Arbeitsplatz zu fahren. Ich habe keine Zeit, im Büro von Kollegen abgelenkt zu werden, die nur Kaffeetrinken und sich unterhalten wollen und ich habe erst recht keine Zeit dafür, jeden Tag neun Stunden an einem Schreibtisch zu sitzen, nur damit irgendein Vorgesetzter mich dort sitzen sieht und sich darüber freut, dass er so anwesende Mitarbeiter hat. Ich habe keine Zeit. Und deshalb bin ich im Home-Office einfach am besten aufgehoben.
Aktuell kehren viele Angestellte wieder zurück an ihre Arbeitsplätze, die sie durch die Corona-Pandemie bedingt gegen das Home-Office eingetauscht haben. Die Home-Office-Pflicht ist bereits im Juli ausgelaufen, trotzdem sind viele Büros noch immer mit halber Besatzung unterwegs. Es gibt vermutlich nur zwei Arten von Angestellten: Die, die das Home-Office hassen und die, die es nicht wieder hergeben wollen. Beide können leistungsstarke Arbeitnehmer sein, sie brauchen nur unterschiedliche Arbeitsbedingungen, um das Beste aus ihrer Arbeitszeit herauszuholen. Führungskräfte und Personaler tun gut daran, jetzt nicht wieder auf die Präsenzpflicht zu bestehen, sondern sich der unterschiedlichen Bedürfnisse bewusst zu werden.
Dabei geht es nicht um die Frage, ob man Home-Office grundsätzlich ermöglichen möchte oder nicht – sondern darum, wie hybride Arbeitsformen geschaffen werden können. Selbst der größte Home-Office-Liebhaber möchte ab und zu seine Kollegen sehen, in Meetings sitzen und in die Kantine gehen. Er möchte das nur nicht jeden Tag. Anwesenheit zu fordern, wenn sie notwendig ist, ist völlig legitim. Aber muss ein Mitarbeiter, der den ganzen Tag ausschließlich Emails schreibt oder telefoniert wirklich in einem Großraumbüro sitzen?
Vorgesetzte, die behaupten, dass ihre Mitarbeiter im Home-Office nur Netflix schauen und deshalb auf Präsenz bestehen, machen es sich zu leicht. Oftmals genügt die Kontrolle, ob das gewünschte Ziel in der vorgegebenen Zeit erledigt wurde. Für größere Unternehmen dienen KPIs (Key Performance Indicators) als Referenz, um Prozesse zu bewerten und Verbesserungen zu erkennen. Die Zukunft der Arbeitswelt ist digital und hybrid. Der Wunsch, Arbeitnehmer jetzt wieder in Arbeitsbedingungen zurückführen zu wollen, wie sie vor der Pandemie waren, ist rückwärtsgewandt und meist allein auf Angst gegründet.
Elena Adam