Corona Soforthilfe. Große Versprechen, doch was steckt wirklich dahinter?

CityGlow

5. Januar 2022

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Der Kampf der Künstler

Die Corona-Krise beeinflusst das Leben aller, auch auf die Arbeitswelt hat sie teils große Auswirkungen. Einige sind davon jedoch mehr und härter betroffen als andere. Zu den Berufsgruppen, die am meisten unten den Corona-bedingten Einschränkungen zu leiden haben, gehören sicherlich die Solo-Selbstständigen und Freiberufler. Für Künstler wie etwa Sänger und Schauspieler, die darauf angewiesen sind, live vor Publikum auftreten zu können, kamen die Lockdowns einem Berufsverbot gleich. Sie erhielten zwar finanzielle Unterstützung vom Staat, dürfen, wie sich aktuell herausstellt, diese allerdings oftmals nicht behalten.  So wurden nach offiziellen Angaben rund 6,6 Milliarden Euro Soforthilfen an niedersächsische Unternehmen und Selbstständige ausgezahlt. Die NBank hat sich nun kurz vor Weihnachten zur Aufgabe gemacht, alle Anträge, die Sie vor ca. einem Jahr so großzügig und unbürokratisch bewilligt hat, neu und final zu überprüfen. Dabei stellt sich heraus, dass nach einer Überprüfung sehr oft die komplette geleistete unbürokratische Soforthilfe zurückgezahlt werden muss.  Ursprünglich sollte die Rücküberweisung bis zum 28. Februar 2022 erfolgt sein, mehr als 60 Millionen Euro wurden es bisher bereits. Nun wurde die Frist bis Ende Oktober 2022 verlängert, da viele Soloselbstständige und Unternehmer offenbar die Summen nicht so schnell aufbringen können, insbesondere deshalb, da die momentanen Arbeitsbedingungen für Kunst, Kultur und Soloselbstständige, wie für viele andere, auf Grund der aktuellen Verordnungen und Einschränkungen erneut extrem schwierig und defizitär sind.   

Verärgerung über Rückzahlungen  

Die Hilfen sind an Bedingungen geknüpft, die von vielen Soloselbstständigen scharf kritisiert werden. Auch Marc Masconi ist verärgert und frustriert. Der Hannoveraner Sänger, Pianist und Produzent, der u.a. mit seinem „Frank Sinatra Concert“ europaweit tourt, machte seinem Unmut darüber kürzlich in einem viel beachteten Facebook-Post Luft. Unter anderem schreibt er: „Ich bin so wütend und so enttäuscht!! Heute kam nach Prüfung und Abrechnung der Bescheid, dass ich fast die gesamte Corona-Soforthilfe des Jahres 2020 zurückzahlen muss, da Kosten wie private Krankenversicherung und diverse andere elementare Kosten wie zum Beispiel Darlehen für ein teilbetrieblich genutztes Privathaus NICHT als betriebliche Fixkosten anerkennt werden. Die Bedingungen wurden im Nachhinein geändert!”

CG: „Wie waren die Reaktionen auf Ihren Post von Kollegen und offizieller Seite? Ist jemand auf Sie zugekommen?“

MM: „Die Reaktionen von Seiten der Künstler und Soloselbstständigen waren überwältigend, was die Brisanz der Lage verdeutlicht. Leider erhielt ich von der überwiegenden Mehrheit, was ich geschätzt mit mindestens 95% beziffern möchte, die Rückmeldung, dass die Soforthilfen zu 100% zurück gezahlt werden müssen, da die seitens des Landes Niedersachsen ausschließlich berücksichtigten „betrieblichen Kosten“ nicht nachweisbar wären. Von offizieller Stelle gab es keinerlei Reaktionen, was ich auch nicht erwartet habe. 

CG: „Welche Maßnahmen (finanziell und anderweitig) würden Sie sich von der Landes- und der neuen Bundesregierung wünschen?“

MM: „ Es gibt bundes- und landesspezifisch große Unterschiede im Bezug auf die Förderungen und die damit verbundenen Voraussetzungen. Eine Folge unseres föderalistischen Systems. Mein Wunsch wäre zunächst eine bundeseinheitliche Regelung der Hilfemaßnahmen mit gleichen Bedingungen und Chancen für alle Soloselbstständigen und Unternehmer. Ein großes Problem stellt das Thema „betriebliche Kosten“ bei Soloselbstständigen dar. In der Regel arbeitet der Künstler und Kulturschaffende von zuhause aus, es fallen demnach wenig bis keine Kosten für gewerbliche Mieten oder Leasingraten für einen Firmenfuhrpark an. Vielmehr deckt der Soloselbstständige mit den erzielten Einnahmen Kosten für private Krankenversicherung, gesetzliche Pflegeversicherung, Renten- oder Lebensversicherungen zur Altersvorsorge und auch die Kosten für ein in seinem Besitz befindliches teilberuflich genutztes Kraftfahrzeug. All diese Kosten werden als „Lebenshaltungskosten“ eingestuft und sind somit nicht als „betriebliche Kosten“ anzurechnen. Ein in beliebiger Gesellschaftsform gezahltes Geschäftsführergehalt ist indes als betrieblicher Kostenfaktor verbuchbar. Meine Forderung ist daher die unabdingbare Anerkennung eines festen Betrages für „Lebenshaltungskosten“ bei Soloselbstständigen, der in den finanziellen Hilfen, gleich einer monatlichen Pauschale, Berücksichtigung findet. Diese Variante findet man durchaus in einigen Bundesländern, die z.B. 2.000,- Euro als Pauschale für Lebenshaltungskosten bei den Förderungen anerkennen. In Niedersachsen ist dies wiederum nicht der Fall, was meine erste dringende Bitte nach bundesweit einheitlichen Regelungen signifikant stützt.

CG: „Wie können sich Künstler und andere Soloselbständige aus Ihrer Sicht untereinander solidarisieren?“

MM: „Es gibt verschiedenste Möglichkeiten des solidarischen Miteinander.                        Eine landesweite und vor allem landesspezifische Organisation ist hier von Vorteil, solange es keine bundeseinheitlichen Regelungen gibt, um den jeweiligen Vorgaben optimal Rechnung zu tragen und effizient vorzugehen. Hierfür bietet sich die Gründung eines Verbandes an. Die Kollegen im klassischen Musikbereich haben das bereits mit einer Landesarbeitsgemeinschaft erreicht. In den Bereichen Jazz/Rock/Pop und U-Musik geht es zur Zeit noch nicht zufriedenstellend voran. Auch in anderen Bereichen der Soloselbstständigkeit ist hier noch viel zu tun. Nur gemeinsam werden wir die Chance haben, Gehör zu finden! Leider muss ich dennoch, gerade aus meinen Erfahrungen der ersten Stunde mit dem Projekt #kulturverhungert und Kundgebungen wie intensiven Gesprächen mit den regionalen und überregionalen Gremien der Parteien und der Landesregierung durch eine Auswahl soloselbstständiger Künstler und Kulturschaffender, der ich angehören durfte, einen gewissen Verdruss zum Ausdruck bringen. Selbst die intensivsten Gespräche mit der Politik bringen nur dann Erfolge, wenn die politische Seite auch mit anpackt und dem verbal geäußerten Verständnis auch zeitnahe Taten folgen.

CG: „Inwiefern können digitale Angebote wie Streams die fehlenden Auftritte ersetzen?

MM: „Ich bin bekannt dafür, das Thema „Streaming“ als sehr kritisch und für mich persönlich als nicht praktikabel zu sehen. Zunächst einmal ist ein Live Event im direkten Kontakt mit dem Publikum für beide Seiten nicht ersetzbar. Wenn man nun aus bekannten Gründen den digitalen Weg gehen möchte, so stellen sich verschiedene Fragen:

  1. Qualität: Wenn ich ein bisher stattgefundenes Live Event digital in ähnlicher Qualität ersetzen will, muss ich bezüglich der Ton- und Bildqualität mit erheblichem Aufwand und damit verbundenen erheblichen Kosten rechnen. Ein Streaming mit Handykamera und eingebautem Mikrofon ist dazu schwerlich in der Lage. Die künstlerische Qualität und der eigene Anspruch an die Darbietung sind somit nicht zu erfüllen.
  2. Location: Ein Live Event findet auf einer Bühne oder in einem Theater statt. Die Notlösung, Streaming aus dem eigenen Wohnzimmer vor dem Couchtisch im Haus-Outfit anzubieten, mag eine Notlösung sein, aber sicher kein adäquater Ersatz für ein Theatererlebnis. Womit wir auch schon beim Punkt der Wertigkeit für den Kartenkäufer wären und dem nächsten Punkt.
  3. Monetarisierung: Ein Live Konzert und damit das Einkommen des Künstlers finanziert sich mittels verkaufter Karten oder einer vom Veranstalter finanzierten Festgage. Die Monetarisierungsmöglichkeiten für Streaming Events sind zwar inzwischen über digitale Payment Systeme vielfältig, nur werden sie nicht in der Form und Quantität vom Zuschauer genutzt, dass eine hochwertige und damit Kosten deckende Produktion möglich wäre. Es ist eben doch ein Unterschied, ob ich für ein Live Konzert oder ein Streaming Event Karten kaufe, selbst wenn die Karten eines Online-Konzertes deutlich günstiger sind.

Für mich wird das Thema Streaming nur dann zu einer sinnvollen add-on Lösung, wenn die Qualität hochauflösend möglich ist, was Ton, Bild, Licht und Bühne betrifft.  So kann zusätzlich zum Live Erlebnis ein hochwertiges Parallelprodukt entstehen, was zudem weltweit funktioniert. Ein Live Konzert ist aber ohne Frage durch nichts zu ersetzen!

Ich hoffe auf bessere Zeiten, wenn auch realistisch betrachtet nicht in 2022, aber mit etwas Glück ab 2023 wieder. Wir brauchen das Liveerlebnis, sonst stirbt ein wundervoller Teil unseres Lebens: die Kultur!                     

Vielen Dank Herr Masconi für ihre offene und ehrliche Beantwortung der Fragen          

https://www.facebook.com/marc.masconi/posts/2530959663704333

Foto: Iris Klöpper

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