Jetzt online lesen: Ausgabe 11.2025

Ecuadorianer in Norddeutschland zum Referendum aufgerufen
Dr. Rosa Olinda Vásquez Orozco an ihrem Arbeitsplatz im Generalkonsulat von Ecuador in der Hamburger City © CETIN YAMAN/YPA
Aufrufe: 34

Ecuadorianer in Norddeutschland zum Referendum aufgerufen

von CityGlow

Generalkonsulin Rosa Vásquez Orozco im Interview zu wichtiger Abstimmung

In diesem Monat November findet im südamerikanischen Land Ecuador eine Volksbefragung statt, die 2025 von Präsident Daniel Noboa initiiert wurde. Das Referendum folgt auf die Präsidentschaftswahlen im April diesen Jahres, bei denen Noboa wiedergewählt wurde. Ein Teil der Abstimmung bezieht sich auf die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Um welche weiteren Punkte es dabei geht, war Thema unseres Interviews mit der Generalkonsulin von Ecuador in Hamburg Dr. Rosa Olinda Vásquez Orozco. Sie ist für ganz Norddeutschland zuständig, hier leben rund 8000 ihrer Landsleute.

Präsident Daniel Noboa mit Ehefrau Lavinia Valbonesi © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

CITY GLOW: Generalkonsulin Frau Dr. Vásquez Orozco, bevor wir über das kommende Referendum in Ihrem Heimatland Ecuador sprechen, könnten Sie uns bitte erzählen, wie lange Sie bereits hier in Hamburg tätig sind und in welchen Bereichen Sie zuvor im diplomatischen Dienst gearbeitet haben?

GENERALKONSULIN ROSA VÀSQUEZ OROZCO: Ich bin seit über vier Jahren Generalkonsulin der Republik Ecuador in Hamburg und vertrete mein Land gegenüber der ecuadorianischen Gemeinschaft im Norden Deutschlands. Zuvor war ich in verschiedenen diplomatischen Vertretungen Ecuadors in Europa, bei den Vereinten Nationen in Wien sowie in konsularischen Funktionen aktiv. Außerdem habe ich verantwortungsvolle Positionen im Außenministerium und im Ministerium für menschliche Mobilität in Quito bekleidet. Jede dieser Erfahrungen war eine wertvolle Gelegenheit, die Freundschaft, Kooperation und das gegenseitige Verständnis zwischen Ecuador und den Ländern, in denen ich dienen durfte, zu stärken.

CG: Wie sind Ihre Eindrücke von der Hansestadt Hamburg und vom Norden Deutschlands allgemein?

GK:Hamburg ist eine Stadt mit einer ganz besonderen Identität. Ihre Hafentradition, ihre internationale Offenheit und ihr Umweltbewusstsein machen sie zu einem Vorbild für Zusammenleben und nachhaltige Entwicklung. Auch der Norden Deutschlands zeichnet sich durch Seriosität, gute Organisation und kulturelles Interesse aus – Werte, mit denen sich wir Ecuadorianer sehr gut identifizieren können. Ich bin der Stadt sehr dankbar für die herzliche Aufnahme unserer Gemeinschaft.

Generalkonsulin Vásquez Orozco mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher und dem damaligen Generalkonsul der USA Jason Chue auf dem Jahresdinner 2024 des Konsularischen Korps Hamburg im Hotel Atlantic © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

CG: In Ihrer Heimat Ecuador steht bald ein bedeutendes politisches Ereignis bevor, das auch Ihre hier in Norddeutschland lebenden Landsleute betrifft. Präsident Daniel Noboa hat für November 2025 ein Referendum und eine Volksbefragung einberufen. Der Nationale Wahlrat hat den 16. November als Termin festgelegt. Eine der vom Verfassungsgericht genehmigten Fragen betrifft die Erlaubnis zur Errichtung ausländischer Militärbasen in Ecuador. Können Sie uns dazu mehr sagen?

GK: In der Tat soll das von der Nationalen Regierung ausgerufene Referendum den ecuadorianischen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, über verschiedene Reformen im institutionellen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Bereich zu entscheiden. Die Frage zur möglichen Präsenz ausländischer Militärbasen zielt darauf ab, eine Debatte über internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen transnationale organisierte Kriminalität – wie Drogen- und Waffenhandel – anzustoßen. Es ist wichtig zu betonen, dass jede Entscheidung die nationale Souveränität und den verfassungsmäßigen Rahmen Ecuadors vollständig respektieren muss. Ziel ist es, die Sicherheit des Staates und den gesellschaftlichen Frieden zu stärken – auf legale und transparente Weise.

Generalkonsulin Vásquez Orozco (Mitte) mit Ehemann, ihrer damaligen Amtskollegin von Argentinien Laura Ramirez (li.) und weiteren Besuchern des Polo-Events 2023 auf Gut Aspern in Schleswig-Holstein © CETIN YAMAN/YPA

CG: Ein weiterer Punkt betrifft die Abschaffung der staatlichen Finanzierung politischer Parteien. Warum wird diese Maßnahme für notwendig gehalten?

GK: Der Vorschlag soll eine effizientere Nutzung öffentlicher Mittel fördern und eine verantwortungsvollere, transparentere Politik gewährleisten. In der Vergangenheit gab es Kritik an der Kontrolle und Wirksamkeit der staatlichen Parteienfinanzierung. Mit dieser Reform sollen politische Organisationen nachhaltiger werden, Rechenschaft gegenüber ihren Mitgliedern und der Bevölkerung ablegen und eine ethische, partizipative politische Kultur fördern.

CG: Das Referendum sieht auch eine Verringerung der Mitgliederzahl der Nationalversammlung vor. Was ist das Ziel dieser Initiative?

GK: Die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten soll die parlamentarische Arbeit effizienter und bürgernäher gestalten. Eine kompaktere Nationalversammlung könnte die Entscheidungsprozesse beschleunigen, Verwaltungskosten senken und die Debatten verbessern – stets im Interesse des Landes. Die repräsentative Vielfalt bleibt gewahrt, jedoch in einer schlankeren und leistungsfähigeren Struktur, die den heutigen Bedürfnissen Ecuadors besser entspricht.

Generalkonsulin Vásquez Orozco mit einem Teil ihres Teams in Hamburg: André Menschig und Perla Salas Gómez © CETIN YAMAN/YPA

CG: Das Gericht hat auch eine Frage zur möglichen Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung genehmigt. Worum geht es dabei genau?

GK: Die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung ist ein demokratischer Mechanismus, der in unserer Verfassung vorgesehen ist. Er ermöglicht es dem ecuadorianischen Volk, zu entscheiden, ob eine tiefgreifendere Überprüfung des verfassungsrechtlichen Rahmens erforderlich ist. Sollte dieser Prozess angenommen werden, würde er breit diskutiert und hinterfragt, um sicherzustellen, dass jede eventuelle Reform den Konsens und die Interessen der gesamten Gesellschaft widerspiegelt.

CG: Dies ist das zweite Referendum von Präsident Noboa. Das erste, im Jahr 2024, konzentrierte sich auf Sicherheitsfragen und erhielt in den meisten Punkten eine mehrheitliche Zustimmung. Welche Erwartungen haben Sie diesmal?

GK: Ecuador hat wiederholt sein Engagement für Demokratie und Bürgerbeteiligung unter Beweis gestellt. Ich vertraue darauf, dass die Bevölkerung jedes Thema mit Reife und Bürgersinn analysieren wird. Unabhängig vom Ergebnis ist das Wichtigste, dass der Prozess transparent, respektvoll und geordnet verläuft und den souveränen Willen der Ecuadorianer widerspiegelt.

CG: Welcher Prozentsatz ist erforderlich, damit das Referendum als erfolgreich gilt? Und wird über jeden Punkt einzeln abgestimmt?

GK: Ja, über jede Frage wird einzeln abgestimmt und gilt als angenommen, wenn sie die einfache Mehrheit – also mehr als 50 % der gültigen Stimmen – erhält. Auf diese Weise können die Bürger ihre Meinung zu jedem Thema individuell äußern. Es ist nicht erforderlich, dass alle Fragen angenommen werden, damit die einzelnen Entscheidungen in Kraft treten.

Präsident Daniel Noboa © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

CG: Wie viele Ecuadorianer leben eigentlich im Konsularbezirk Hamburg, und wie können sie am Referendum teilnehmen?

GK: Im Zuständigkeitsbereich des ecuadorianischen Generalkonsulats in Hamburg und Norddeutschland leben etwa 8.000 ecuadorianische Staatsbürger. Sie können ihr Stimmrecht am Wahltag in den Konsulatsräumlichkeiten ausüben. Alle Informationen zum Wahlprozess werden rechtzeitig über unsere offiziellen Kommunikationskanäle veröffentlicht. Derzeit ist eine Online-Abstimmung nicht vorgesehen, daher wird die Stimmabgabe persönlich erfolgen.

CG: Nun würde ich die Gelegenheit dieses Treffens auch gern dafür ausnützen und über ihr schönes Land sprechen. Ecuador gilt als eines der artenreichsten Länder der Erde. Was können Sie uns darüber sagen?

GK: Ecuador ist ein mega diverses Land. Es umfasst vier natürliche Regionen: Küste, Hochland (Sierra), Amazonasgebiet und die Galápagos-Inseln. Diese geografische und klimatische Vielfalt verleiht unserem Land einen einzigartigen Naturreichtum – von tropischen Stränden über die Andengipfel bis hin zu den Regenwäldern Amazoniens. Unsere Biodiversität ist ein Grund zum Stolz und zugleich eine Verpflichtung zu Schutz und nachhaltiger Entwicklung.

Mit Bundeskanzler a.D. Olaf Scholz auf dem Matthiae-Mahl 2024 im Hamburger Rathaus © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

CG: Sie haben es erläutert, Ecuador bietet eine große landschaftliche Vielfalt, etwa die „Route der Vulkane“ und die Galápagos-Inseln. Welche Rolle spielt der Ökotourismus in Ecuador?

GK: Der Ökotourismus ist eine der Säulen der ecuadorianischen Tourismusentwicklung. Er fördert den respektvollen Kontakt mit der Natur und bringt direkte Vorteile für die lokalen Gemeinschaften. Orte wie Baños, Mindo, Tena oder die Galápagos-Inseln bieten unvergessliche Erlebnisse, bei denen Besucher die Natur genießen und gleichzeitig zu ihrem Erhalt beitragen können.

CG: Die Altstadt von Quito – Hauptstadt von Ecuador – war die erste, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Was würden Sie Besuchern empfehlen?

GK: Quito ist ein Juwel kolonialer Architektur Amerikas. Ich empfehle einen Spaziergang durch das historische Zentrum, den Besuch seiner Kirchen, Museen und Plätze sowie den Genuss der lokalen Küche. Aufgrund der Höhenlage von fast 3.000 Metern sollte man sich am ersten Tag etwas schonen, ausreichend Wasser trinken und körperliche Anstrengung vermeiden. Tagsüber herrschen angenehme Temperaturen, während die Nächte eher kühl sind.

Auf dem Empfang bei Hapag-Lloyd anlässlich des ecuadorianischen Nationalfeiertags 2025 mit ihrem Ehemann und dem damaligen chinesischen Generalkonsul Wu Cong und dessen Ehefrau © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

CG: Welche weiteren Orte würden Sie deutschen Touristen empfehlen? Haben Sie einen besonderen Tipp oder Geheimtipp?

GK: Neben den bekannten Reisezielen empfehle ich Cuenca – eine UNESCO-Welterbestadt –, Vilcabamba, bekannt für sein Klima und die Langlebigkeit seiner Bewohner, Zaruma mit seinem einzigartigen kolonialen Charme sowie Puerto López, ideal zur Walbeobachtung. Jeder Ort in Ecuador erzählt seine eigene Geschichte und begeistert durch die Herzlichkeit seiner Menschen.

CG: Wann ist die beste Reisezeit für Ecuador?

GK: Ecuador kann das ganze Jahr über besucht werden, dank seiner geografischen Lage. Dennoch eignen sich die Monate Juni bis September besonders für die Sierra und das Amazonasgebiet, während von Dezember bis Mai die Küste und die Galápagos-Inseln empfehlenswert sind. Es gibt immer ein Reiseziel mit perfektem Klima.

CG: Welche kulturellen Orte sollten Besucher mit Interesse an Geschichte und Traditionen sehen?

GK: Neben Quito und Cuenca empfehle ich Otavalo mit seinem berühmten Indigenenmarkt, Loja – die Wiege der Musik und der Künste – sowie Guayaquil, eine dynamische Stadt, die Moderne und Geschichte vereint. Die kulturelle Vielfalt Ecuadors, verkörpert durch 14 Nationalitäten und 18 indigene Völker, ist ein lebendiger Ausdruck unserer nationalen Identität.

Die traumhaft schöne Stadt Cuenca ist die Hauptstadt der Provinz Azuay und liegt im südlichen Ecuador in in einem Hochlandbecken der Anden in 2450 bis 2600 m Höhe © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

CG: Kommen wir zur Gastronomie, auch da kann Ecuador so einiges bieten. Welche Spezialitäten würden Sie den Besuchern empfehlen?

GK: Die ecuadorianische Küche ist so vielfältig wie das Land selbst. In der Sierra sind „Hornado“, „Fritada“ und „Empanadas de viento“ beliebt; an der Küste Ceviche, Encebollado und Reis mit Garnelen; im Amazonasgebiet Gerichte wie „Maito de pescado“ und frischer Palmherzsalat. Berühmt ist Ecuador auch für seinen hochwertigen Kakao – den besten der Welt – und seinen aromatischen Kaffee, die unsere kulinarische Identität weltweit repräsentieren.

CG: Wie viel Zeit sollte ein Tourist Ihrer Meinung nach für eine Reise durch Ecuador einplanen?

GK: Ideal wären drei Wochen, um die vier Regionen des Landes in Ruhe kennenzulernen. Auch in zwei Wochen erhält man einen sehr guten Überblick, doch Ecuador hinterlässt immer Gründe, zurückzukehren – jede Reise bietet neue Erfahrungen und Entdeckungen.

CG: Zum Schluss noch eine Frage zu den Kosten. Ecuador galt stets als erschwingliches Reiseziel. Ist das heute noch so?

GK: Ja, Ecuador bietet nach wie vor ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Kosten für Essen, Transport und touristische Aktivitäten sind im Vergleich zu anderen Ländern der Region moderat. Besucher mit durchschnittlichen Erwartungen können mit täglichen Ausgaben zwischen 60 und 80 Euro rechnen, ohne Flüge und Unterkunft. So lässt sich eine vollständige und authentische Erfahrung genießen, ohne große Ausgaben zu tätigen. Ecuador ist ein Land voller Chancen, Vielfalt und Gastfreundschaft. Ich lade alle Leser herzlich ein, unser Land zu besuchen, seine Menschen, Kultur und Landschaften kennenzulernen. Sie werden in Ecuador stets willkommen sein.

CG: Das werden ganz sicher einige unserer Leser beherzigen, die Fotos der Attraktionen von Ecuador sind sehr eindrucksvoll! Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen einen erfolgreichen Verlauf des Referendums am 16. November 2025.

Los Frailes ist eine als eine der schönsten Strände Ecuadors geltende Küste, die sich in der Provinz Manabí im Parque Nacional Machalilla befindet und für ihr klares Wasser, weiße Sandstrände, unberührte Natur und vielfältige Tierwelt bekannt ist © Generalkonsulat Ecuador Hamburg
Eine Delikatesse aus den Anden: Hornado, gebackenes, süßlich gewürztes Schweinefleisch (auch Haut), mit Kartoffelbrei oder llapingachos (kleine käsegefüllte Kartoffelpuffer) © Generalkonsulat Ecuador Hamburg
Costa Rodeo Montubio Pimochas ist ein traditionelles ecuadorianisches Volksfest an der Küste, auf dem geschickte Montuvios (ländliche Einwohner der Küstenregion Ecuadors) ihre Reitkünste unter Beweis stellen, insbesondere das Zähmen von Wildpferden (chúcaros) © Generalkonsulat Ecuador Hamburg

Das könnte dich auch interessieren

  • Voller Geschmacks-Himmel im HALF THE SKY:
    Cheers! Zum Interview Lunch mit City Glow-Reporter Cetin Yaman kredenzte Half the Sky-Inhaber Qiuyi Chen das Beste aus seiner famosen Küche © Cetin Yaman
    von CityGlow
    PEOPLE Hamburg
    20 Minuten Lesezeit

    Voller Geschmacks-Himmel im HALF THE SKY:

    INTERVIEW LUNCH mit Promi-Wirt Qiuyi Chen CG: Herr Chen, lassen Sie uns von Anfang an starten: wann sind Sie nach…

  • Frische Kräfte für die Hamburger Politik
    BU unter dem Interview © Cetin Yaman
    von CityGlow
    PEOPLE Hamburg
    20 Minuten Lesezeit

    Frische Kräfte für die Hamburger Politik

    Interview Lunch mit Julian Herrmann im Rindock's in Hamburg-Rahlstedt Die Hamburger Bürgerschaftswahl 2025 brachte auf den ersten Blick nichts wesentlich…