Voller Geschmacks-Himmel im HALF THE SKY:
INTERVIEW LUNCH mit Promi-Wirt Qiuyi Chen
CG: Herr Chen, lassen Sie uns von Anfang an starten: wann sind Sie nach Hamburg gekommen und konnten Sie sich hier gleich gut akklimatisieren? Oder hat es etwas gedauert bis Sie mit der norddeutschen Mentalität und dem norddeutschen Wetter klargekommen sind? Wie waren die ersten Erlebnisse von Ihnen und Ihrer Familie hier im Norden?
QC: Mit dem Klima war kein großes Problem, denn ich bin zwar in China geboren, doch aufgewachsen bin ich in Holland und da ist es vom Wetter sehr ähnlich wie hier. Einen großen Unterschied habe ich aber gleich von Anfang an gemerkt. Hier in Deutschland alles etwas strikter, in den Niederlanden geht man die Sachen etwas flexibler an. Das war mein allererster Eindruck als ich nach Hamburg kam. Das beziehe ich sowohl auf die öffentlichen/gesetzlichen Reglementierungen in dem Land als auch auf die Beziehungen der Menschen untereinander. Hier werden die staatlichen Vorgaben viel ernster genommen. Ich gebe mal ein Beispiel: eine Verkehrsampel an einer verlassenen, kleinen Straße außerhalb der geschäftigen Zeiten. Wenn die Ampel auf Rot geschaltet ist, geht in Deutschland kein Mensch rüber, auch wenn minutenlang kein Auto vorbeikommt. In Holland hätten da schon längst viele Passanten die Straße überquert. Um hier auch eine persönliche Erfahrung einzufügen: am Wandsbek-Markt gibt es einen breiten Fußgängerweg und gleich daneben einen Fahrradweg, der sich aber ebenfalls auf dem Bürgersteig befindet. Wenn man hier spät abends – bei sehr wenig Fußgänger- und Fahrradverkehr – sich als Fußgänger auf dem Bürgersteig zufällig auf dem Fahrradweg bewegt und ein Fahrradfahrer angeradelt kommt, dann wird man mit Klingeln und mahnenden Rufen sofort zur Ordnung gerufen, obwohl der Fahrradfahrer auch bequem sehr leicht auf den restlichen Bürgersteig hätte ausweichen können. In Holland würde da kein Fahrradfahrer Stress machen, sondern einfach außen herum vorbeifahren. Die sind da einfach lockerer drauf.
Hat das ein größeres Problem für Sie dargestellt?
Nein, das wiederum auch nicht. Man muss sich einfach daran anpassen und dann funktioniert das auch.


Moderne Architektur und viel Wasser: darauf steht Qiuyi Chen
Wir haben jetzt über das Land gesprochen, in dem Sie aufgewachsen sind, die Niederlande. Sie sind aber auch noch sehr häufig in Ihrer Heimat China. Gibt es eine Stadt in China, die Sie am meisten mit Hamburg vergleichen könnten?
Da denke ich, dass man das sehr gut mit Shanghai machen kann. Es ist wie Hamburg eine Hafenstadt, ist sehr international ausgerichtet – in China ist es die Stadt, die am internationalsten überhaupt ist – und hat meiner Meinung auch so einen leicht femininen Charakter.
Feminin? Interessant! Welche Plätze in Hamburg gefallen Ihnen besonders gut? Welche Viertel, Sehenswürdigkeiten von Hamburg finden Sie attraktiv?
Von Hamburg bin ich im Allgemeinen sehr begeistert, ein Spaziergang rund um die Alster mit den Kindern finde ich ganz toll. Dass es in Hamburg so viel Wasser gibt, macht es für mich auch super attraktiv. Man kann zum Beispiel mit Booten durch die Kanäle in den Stadtteilen Winterhude und Uhlenhorst paddeln, das ist einmalig schön. Besonders erwähnen möchte ich auch die HafenCity, ein sehr moderner Stadtteil. Wir Asiaten sind fasziniert von moderner Architektur und davon gibt es reichlich dort.
Widmen wir uns nun den unterschiedlichen Orten wie Veranstaltungsstätten für kulturelle Events und ähnlichen Institutionen – außer Ihren eigenen natürlich, zu diesen kommen wir später. Was zieht Sie besonders an in Hamburg? Wo gehen Sie gern allein und mit Ihrer Familie hin?
Als Gastronomen ist das für uns natürlich nicht leicht, denn unser Geschäft läuft ja auch abends. Aber wenn sich die Zeit findet, gehen ich und meine Familie immer sehr gern in die Elbphilharmonie, vor allem natürlich dann, wenn es einen chinesischen Dirigenten oder Pianisten oder anderen Musiker aus China zu sehen und zu hören gibt.
In Sachen Kultur haben Sie ja bestimmt auch so einiges mit Ihrem Verein zu tun. Sie sind Präsident der Hamburger China-Gesellschaft und mischen mit diesem Verein auch gern und viel in der Hamburger Kultur mit.
Das ist richtig, da ist auch immer sehr viel zu tun. Wir sind im Vorstand zu acht und führen alle unsere diversen Veranstaltungen selber durch. Durch unsere eigenen Events sind wir natürlich auch wiederum bei anderen Veranstaltern bekannt und erhalten wiederum selbst Einladungen von denen – darunter viele kulturelle Events -, die wir natürlich ebenfalls sehr gerne besuchen.


Zufallsauswahl Wandsbek schlug dennoch ein
Das erste Restaurant haben Sie im Stadtteil Wandsbek eröffnet, das Ni Hao. Nun, das ist für ein hochklassiges chinesisches Restaurant ein doch etwas ungewöhnlicher Standort in Hamburg würde ich mal sagen, da hätten sich eigentlich andere Viertel vielleicht doch eher dafür empfohlen gehabt. Wie kam es denn dazu?
Wir sind wie gesagt von den Niederlanden nach Hamburg gekommen und dort sind die Städte wesentlich kleiner als in Deutschland. Wir kannten uns nicht besonders gut aus in Hamburg und Wandsbek erschien uns als gar nicht so schlecht. Irgendwann später haben wir dann auch gemerkt, hoppla, Wandsbek ist jetzt eher nicht so die Top-Lage, das ist mehr so Eppendorf oder so. Das war nicht so einfach, aber irgendwann haben wir es dann geschafft und dann war das ein bisschen so wie in New York: „If you can make it in Wandsbek, you can make it anywhere“…
Das ist gut! Den Spruch sollten die Wandsbeker auf einer Tafel in ihr Rathaus hängen!
Kommen wir zu den anderen gastronomischen Betrieben, die Sie und Ihre Brüder in Hamburg besitzen. Mit Yu Garden (Harvestehude), Ni Hao (Wandsbek), Half the Sky (Ottensen) und Copperhouse (St. Pauli) unterhalten Sie vier Restaurants mit unterschiedlichen Konzepten. Können Sie uns diese kurz vorstellen?
Das Copperhouse in Hamburg-St. Pauli unterscheidet sich stark von allen anderen unserer Restaurants, das ist auch kein spezifisch chinesisches Restaurant, wir nennen es „asiatisches Restaurant“. Dort gibt es zum Beispiel ein Live-Cooking, das heißt, die Gäste suchen sich die frischen Zutaten – Steak oder Fisch – selber am Büffet aus und das wird dann live zubereitet. Das geht so in die Kategorie „Erlebnis-Restaurant“. Yu Garden, Ni Hao und Half the Sky sind aber wiederum chinesische Restaurants mit ähnlichen Angeboten, wobei aber das Half the Sky, wo wir heute zum Interview speisen, auch besonders viele vegane Gerichte bietet und außerdem einen Schwerpunkt auf scharfe Gerichte hat. Die chinesische Küche ist sehr vielfältig, da gibt es regional große Unterschied, aber wir versuchen hier in Hamburg so etwas wie ein „Best of der Chinesischen Küche“ zu präsentieren.



Nicht nur ein Restaurant, eine kulturelle Institution in der Hansestadt: Yu Garden
Das Yu Garden im chinesischen Teehaus in Hamburg-Harvestehude wurde im Februar 2025 fünf Jahre alt. Wie lautet Ihre persönliche Bilanz bis jetzt?
Insgesamt bin ich mit der Entwicklung des Yu Garden sehr zufrieden. Wir hatten am Anfang natürlich viel Pech, da auch hier mit der Eröffnung quasi zeitgleich die Pandemie losging. Aber wir sind da gut rausgekommen und blicken sehr zuversichtlich in die Zukunft. Wir konnten uns nicht nur als Stätte, wo man sehr gut essen und sehr guten Wein trinken kann, etablieren, sondern haben uns auch einen guten Ruf als Ort der kulturellen Begegnungen erworben. Insofern stehen wir im Moment gut da, beispielsweise kommen alle chinesischen Delegationen, die nach Hamburg kommen, auch bei uns vorbei, weil das Yu Garden eben etwas ganz Besonderes ist. Wir haben hier verschiedene Räumlichkeiten, wir haben ein Teehaus, einen „Secret Garden“ und viele schöne Außenplätze, einen Teich mit diversen Stegen sowie chinesische Pflanzen und Bäume. Man kann hier sehr viele verschiedene Sachen organisieren, Open Air-Konzerte oder Kammermusik-Aufführungen und vieles mehr. Diese kulturellen Angebote werden auch sehr gut angenommen und dadurch macht mir auch das Betreiben des Yu Garden sehr viel Spaß und empfinde das als wesentlich mehr als „nur“ ein Restaurant zu leiten.
Sie wollten ja von Anfang an, also 2008, beim Projekt Yu Garden mit dabei sein. Das hat aber dann erst 2019 geklappt. Was hat sie bewogen, so lange dranzubleiben?
Ja, ich war tatsächlich bei der Grundsteinlegung mit dabei, aber der Auftrag ging dann zuerst an jemand anderen. Darum war ich sehr froh als ich 2019 den Anruf von der Hamburger Kulturbehörde erhielt mit der Anfrage, ob ich denn noch Interesse an dem Yu Garden hätte. Die Jahre davor dort verliefen sehr holprig, das Teehaus war mal geöffnet, mal geschlossen und die Resonanz darauf war dementsprechend schwach. Und mein Konzept basierte von Anfang an auf einer Kombination eines Restaurant-Betriebs mit der Durchführung von Events, das eine muss das andere pushen. Das Gebäude ist auch so erstellt, dass man dies in der Verwendung berücksichtigen muss.


Ein exzellentes Produkt der Städtepartnerschaft Hamburg-Shanghai
Nicht unerwähnt darf dabei natürlich die Historie bleiben. Das Yu Garden ist aus der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai entstanden. Und das Yu Garden – das Original – gibt es auch in Shanghai in China. Ist die Version in Hamburg eigentlich exakt genauso wie das Original?
Also, es war so, dass Anfang des Jahrtausends, damals noch unter dem Bürgermeister Ole von Beust, die Stadt im Rahmen der Städtepartnerschaft Hamburg Shanghai das Grundstück – immerhin 3000 Quadratmeter groß – für 30 Jahre kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Daraufhin hat Shanghai gesagt, gut, dann schenken wir euch eine Kopie des Teehauses in Shanghai. Das Original ist zwar um einiges größer, aber Hamburg erhielt dadurch dieses attraktive Teehaus.
Wie setzt sich denn Ihr Gastaufkommen zusammen? Haben Sie überwiegend Chinesen, die in Hamburg wohnen oder die geschäftlich nach Hamburg kommen, bei Ihnen?
Wir haben durch unsere Premium-Lage im Stadtteil Harvestehude eine sehr gute Mischung. Uns besuchen sowohl viele Chinesen, die in Hamburg wohnen, und welche, die geschäftlich hierher kommen, als auch viele Deutsche. Und was für uns wichtig ist: es besuchen uns auch viele Gäste aus der unmittelbaren Nachbarschaft im Stadtviertel. Und ich denke dieser Erfolg hängt auch damit zusammen, dass wir nicht nur chinesisches Essen anbieten, sondern insgesamt ein „China-Feeling“ vermitteln. Ich nenne das „One Day in China“ und will dieses Konzept noch weiter ausbauen; mal sehen, vielleicht sogar in Kooperation mit der Stadt Hamburg. Das ist zum Beispiel gerade im Sommer, wo die Gastronomie der Stadt mehr oder weniger im Sommerloch verharren muss, eine ganz griffige Idee. Zu uns kommen viele Touristen, eben wegen des genannten Grundes, also, um mitten in Hamburg ein „China-Erlebnis“ haben zu können.
Nicht vergessen darf man auch die hohe Dichte an VIPs und Prominenten, die bei Ihnen verkehren. Bürgermeister, Senatoren, Wirtschaftskapitäne, national bekannte Schauspieler und TV-Moderatoren, Sport-Stars und viele andere sind im Yu Garden zu Gast!


Mitten in der Krise eröffnet, dennoch bestens etabliert: Half the Sky
Doch kommen wir nun dem Restaurant, wo wir heute unser Interview führen – das auch eine Klasse für sich ist. Sie haben Ihr letztes Restaurant Half the Sky, im Stadtteil Ottensen, gleich in der Nähe des Bahnhofs Altona, quasi zeitgleich mit dem Beginn der Corona-Zeit eröffnet. Das war sozusagen etwas mehr als Pech, denn auch nach dem Ende der Pandemie hat sich die Gastronomie im Allgemeinen schwer wieder aufrappeln können. Wie verliefen denn bei Ihnen seitdem die letzten zwei Jahre?
Das war am Anfang wirklich sehr hart hier, denn im Unterschied zum Yu Garden handelt es sich hier im Half the Sky ausschließlich um ein Restaurant. Hier kann ich keine Veranstaltungen durchführen, um das Restaurant zu promoten, zumal es sich auch um ein reines Wohngebiet handelt. Der Standort ist aber sehr interessant, es nennt sich „Neue Altona-Mitte“. Hier wurden in den letzten Jahren sehr viele neue Wohnungen gebaut – und werden noch gebaut -, gibt es viele junge Familien mit einem Kind, die gern zum Essen ausgehen. Die Gäste essen sehr bewusst und viele von ihnen auch vegetarisch, darauf haben wir uns mit unserer Küche im Half the Sky eingestellt. Eine weitere Spezialität ist die scharfe Küche, die zum Beispiel unsere chinesischen Gäste absolut lieben. Man kann hier natürlich auch ganz normal gewürzte Gerichte essen, aber der Fokus liegt auf der scharfen Küche. Und das wird sehr gut angenommen, deswegen sehen wir auch zuversichtlich in die Zukunft.
Wie sind sie eigentlich auf den Namen Half the Sky gekommen?
Das war eine Idee meiner Frau Shuheng Tian. Denn in diesem neuen Viertel „Neue Altona-Mitte“ sind alle Straße nach Arbeiterinnen benannt – das Restaurant hat auch die Adresse „Platz der Arbeiterinnen 1“, ist also sehr sozialistisch ausgeprägt. Und es gibt ein Zitat vom ehemaligen chinesischen Staatspräsidenten Mao Tse-Tung, das lautet: „Die Frauen tragen die Hälfte des Himmels“. Das empfand meine Frau als sehr passend und schlug es vor, mir gefiel es auch auf Anhieb sehr gut.
Absolut, stimme voll zu, sehr kreativ und aufmerksamkeitserregend!



Wein-Aficionado Chen mit eigener Marke
Kommen wir nun zu den Weinen: Sie sind persönlich ein großer Weinliebhaber und haben sogar mittlerweile eine eigene Weinmarke, die Sie in Ihren Restaurants anbieten. Wollen Sie uns darüber ein bisschen erzählen?
Ja, ich arbeite mit einigen Winzern zusammen, zum Beispiel eng mit einem Weingut in Trier, das ist in „Große Lage“ (= Auszeichnung für hochwertigste deutsche Weinberge; Anm. d. Red.), daraus ist „Chen‘s Selection“ entstanden, ein Riesling Weißwein. Daneben kooperiere ich mit einem weiteren Anbauer an der Mosel, mit ihm bringe ich jedes Jahr einen neuen Wein heraus. Diese Weine werden exklusiv in unseren Restaurants angeboten. Daneben muss ich aber auch unbedingt erwähnen, dass wir ebenso chinesische Weine anbieten. Die Entwicklung des Weinanbaus in China ist in den letzten Jahren sehr rasant verlaufen. Chinesische Weine überzeugen international bei Wine Tastings und haben schon zahlreiche Preise gewonnen, das heißt, die Qualität ist schon vorhanden. Dadurch sind sie auch im Preis gestiegen, aber ist alles noch finanzierbar für den normalen Geldbeutel. Diese Entwicklung ist für mich deswegen von großer Bedeutung, denn für ein vollkommenes kulinarisches Erlebnis gehört nicht nur ein sehr gutes Essen, sondern auch ein sehr guter Wein. Und dies war auch für uns wichtiger Bestandteil des Konzepts: chinesisches Essen und chinesischer Wein. Soweit ich das überblicken kann, sind wir damit glaube ich sogar in ganz Deutschland schon führend. Ich bin überzeugt davon, dass in den nächsten Jahren noch sehr viel in Sachen Wein aus China passieren wird, auch in Europa wird man das ganz sicher noch viel breiter anerkennen.


In Fernost geht es nicht nur ums Essen: Kulinarik vereint mit Philosophie
Nun ist es ja so, dass Kulinarik im Allgemeinen als kultureller Bereich anerkannt wird, aber da Restaurantbesuche schon fast zum Alltag gehören, wird es am Ende doch bei vielen als reine Stätte zur Nahrungsaufnahme wahrgenommen. Zwar hie und da als gehobene Art des Sattwerdens, aber dennoch denken sehr wenige zum Beispiel beim Besuch eines italienischen Restaurants auch gleichzeitig an die italienische Kultur. Wie ist das mit der chinesischen Küche? Verleitet diese eher zum Sinnieren, beispielsweise über die Philosophie des Fernen Ostens?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Denn da gibt es einen großen Unterschied zwischen chinesischer und westlicher Esskultur. Da ist zuerst einmal der Essvorgang an sich zu erwähnen, in Europa und im Westen bestellt jeder für sich. In China wird auf die traditionelle Art gemeinschaftlich gegessen, das heißt alles kommt auf den Tisch und jeder bedient sich von allem was da ist.
So wie wir das auch heute hier im Half the Sky hatten: ein großer runder Tisch mit einer großen drehbaren Glasplatte darauf, von der man sich die einzelnen Gerichte zu sich selber hindrehen kann.
Das hat auch den Vorteil, dass man mit jedem an so einem großen Tisch ins Gespräch kommen kann und auch alle gemeinsam über ein Thema reden können. Da geht es dann natürlich nicht nur darum, wie einem ein spezielles Gericht persönlich geschmeckt hat, sondern auch viele Dinge des privaten und öffentlichen Lebens werden dabei gemeinschaftlich besprochen. Dadurch ist Essen ein wirkliches gemeinschaftliches Erlebnis, das die Menschen auch mit Sinn und Lebensqualität erfüllt. Bekanntschaften, Freundschaften und auch Verwandtschaftsverhältnisse werden dadurch gestärkt, das finde ich sehr schön und durch diese positiven Auswirkungen hat es im Endeffekt für mich eben auch einen philosophischen Aspekt: Essen als Teil des Lebenssinns, weil es die Gemeinschaft fördert und diese wiederum das Zufriedenheitsgefühl des Einzelnen anhebt. Die gemeinsam verbrachte Zeit ist genauso wichtig wie das Essen selbst, das ist der große Unterschied zwischen der traditionellen Art und Weise, wie in China gegessen wird, und wie dies im Westen getan wird.
Kochen Sie eigentlich auch selber?
Ich liebe Kochen, aber das tue ich leider viel zu selten. Mein Bruder Zhengyi ist ein sehr guter Koch und er bildet auch immer die ganzen Köche, die aus China zu uns kommen, noch einmal speziell für unsere Bedürfnisse hier in Hamburg aus.
Was ist denn ihr persönliches Lieblingsessen als Gastronom?
Ich habe sehr viele verschiedene Gerichte, die ich sehr gerne mag. Fisch und Seafood im Allgemeinen schmecken mir zum Beispiel sehr – und das muss nicht immer alles chinesisch zubereitet sein, mediterrane Küche finde ich auch sehr schmackhaft. Aber auch Gemüsegerichte finde ich sehr lecker, zum Beispiel geschmorte Auberginen auf chinesische Art, „Yu Xiang Qie Zi“.


Weltpolitik ist aus den Angeln – Gastronom Chen will dagegen steuern
Sie sind außerdem Präsident der Hamburger China Gesellschaft. Dies ist ein nicht-kommerzielles Engagement und erfordert ein anderes Denken als ein Unternehmer. Da ist eine Mission gefragt, die man an die Menschen weitergeben möchte. Wie lautet Ihre?
Nun, zum Glück ist es so, dass Hamburg als Hafenstadt schon immer international ausgerichtet gewesen ist und das Verhältnis zu China aufgrund der bestehenden, immer guten Handelsbeziehungen auch im Allgemeinen als gut zu bezeichnen ist. Das erleichtert unsere Arbeit als chinesischer Kulturverein stark. Das Ziel des Vereins ist es, die Menschen zusammenzubringen, das heißt die Deutschen und die Chinesen, die hier leben. Mit kulturellen Veranstaltungen lässt sich dieses Ziel gut erreichen. Wenn die Menschen untereinander, also unabhängig von der Politik und den Medienberichterstattungen, sich gut verstehen, dann ist das eine sehr gute Basis für alles andere. In Hamburg gibt es das ja wie gesagt schon, deswegen geht es hier in der Hansestadt eher darum, die bestehenden Verbindungen zu vertiefen – und natürlich auch neue aufzubauen. Zu diesem Zweck haben wir diverse sehr beliebte Veranstaltungen, im Frühling haben wir den Chinesischen Neujahrsempfang, dann feiern wir im Yu Garden ein Sommerfest, im Herbst das Mond-Fest im Ni Hao und nicht zu vergessen im Winter die China Night, die inzwischen schon überregional einen hervorragenden Ruf als top Party-Event genießt. Zusätzlich gibt es bei uns im Shanghai-Saal – im 1. Obergeschoss – auch regelmäßig Vorträge, wir informieren die Menschen über China und das über alle möglichen Aspekte: Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft. Außerdem mieten sich andere China-bezogene Vereine bei uns ein und halten ihre eigenen Veranstaltungen ab, wie zum Beispiel neulich die John Rabe-Ausstellung für einen Tag oder das Art & Music-Event von der Kunstberatungsfirma YAC.
Das ist natürlich in Zeiten, in denen die Weltpolitik etwas verrückt zu spielen scheint, eine sehr wichtige Angelegenheit!
Ganz genau so ist es. In solchen Zeiten müssen wir Menschen in Kontakt bleiben und uns weiterhin austauschen. Und wenn das gut funktioniert, kann meiner Meinung nach auch nichts Schlimmes passieren.

4 Restaurants bisher, kommt noch mehr?
Wird es in den nächsten Jahren von Ihnen noch weitere Restaurant-Eröffnungen von Ihnen und Ihren Brüdern geben?
Ich will das nicht ausschließen…
Prima, dann wünschen wir Ihnen jetzt schon viel Erfolg dabei! Und als Genießer Ihrer hervorragenden kulinarischen Angebote sehen wir dieser Ankündigung mit großer Freude entgegen. Besten Dank für das Gespräch und die köstlichen Gerichte im Half the Sky. Auch als Vegetarier kam ich hier mehr als auf meine Kosten, einfach super-lecker!
Das freut mich, das ist genau unser Ziel als Gastronomen. Wir wollen, dass unsere Kunden unsere Restaurants nicht nur gestärkt, sondern auch glücklich verlassen.
Das ist Qiuyi Chen: Geboren 1974 in der Provinz Zhejiang in China. Bildungsabschluss: Diplom-Physiker an der Universität Twente (Niederlande), verheiratet mit Shuheng Tian, zwei schulpflichtige Kinder. Von 1994 – heute Restaurant Ni Hao: Management/Marketing, 2004 bis 2011 im Marketing bei Philips Healthcare, 2011 bis heute Restaurant Copper House: Management/Marketing, 2013 bis heute Präsident der Hamburger China-Gesellschaft e.V., 2015 bis 2019 Red Chamber GmbH & Co. KG: Geschäftsführung und seit 2019 bis heute Yu Garden im Chinesischen Teehaus: Geschäftsführung.
Text von Cetin Yaman





