Jetzt online lesen: Ausgabe 06.2025

Bauen fürs Staunen – Wie Moritz Morbach mit LEGO Kunst und Kindheit verschmelzen lässt
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Bauen fürs Staunen – Wie Moritz Morbach mit LEGO Kunst und Kindheit verschmelzen lässt

von CityGlow

LEGO-Steine, Blattgold und flüssiger Gummi – das sind die Bausteine der Bildwelten von Moritz Morbach. Der Hamburger Künstler, der einst als Berufsschullehrer tätig war, fand erst vor wenigen Jahren den Weg in die Kunst – beflügelt von der Ermutigung seiner Kunstlehrerin und vor allem seines Mannes Armin, dem Herausgeber des Beauty-Magazins TUSH. Heute sorgt Morbach in Galerien wie „Daniel und die Kunst“ in Hamburg mit seinen farbstarken, präzise komponierten Arbeiten für Aufsehen. Seine Motive, mal humorvolles Zitat ikonischer Luxusobjekte, mal abstrakte Farbfelder, erzählen von Kindheitserinnerungen, Markenbegehren und der Schönheit des spielerischen Denkens. Im Interview spricht er mit CityGlow-Herausgeber Michael Panusch über Freiheit, Pädagogik und die Magie modulärer Steine, die mehr sind als bloßes Spielzeug.

Michael: Du bist erst vor wenigen Jahren zur Kunst gekommen. Wie hat sich dein Blick auf Kreativität und künstlerisches Schaffen seitdem verändert?


Moritz: Als ich mit der Kunst begonnen habe, war ich selbst überrascht, wie sehr mich das Material und der kreative Prozess verändert haben. Früher, als ich noch Berufsschullehrer war, habe ich versucht, Inhalte kreativ zu vermitteln, um Zugänge zu schaffen, die über das rein Fachliche hinausgehen. Heute ist Kreativität für mich nicht mehr ein Mittel zum Zweck, sondern der Kern meiner Arbeit. Der große Unterschied liegt in der Selbstwirksamkeit: Ich darf jetzt mit meiner Kunst erfragen, erforschen, dekonstruieren – und dabei auch scheitern. Kunst ist für mich zu einem Raum der Freiheit geworden. In den letzten Jahren bin ich als Künstler definitiv neugieriger, kompromissloser und gleichzeitig auch weicher im Ausdruck geworden.

Michael: Was fasziniert dich an LEGO als Material – und wann hast du erkannt, dass darin mehr steckt als nur Spielzeug?


Moritz: LEGO ist ein weltbekanntes und geliebtes Spielzeug. Gleichzeitig ist es ein universelles Material: strukturiert, kindlich, farbig, modular. Durch seine Modularität ist es unglaublich offen für Bedeutungsverschiebungen. Als ich zum ersten Mal ein Chanel-Parfum aus alten Steinen gebaut habe, merkte ich: Das ist mehr als Spielzeug. Für mich ist LEGO zu einer Sprache geworden, die mit Erinnerungen, Statussymbolen, Nostalgie spielt. Oft baue ich buchstäblich darauf auf – sei es mit Lack, flüssigem Gummi oder Blattgold. Die Steine geben Struktur, Rhythmus, Oberfläche und werden zu Trägern von Bedeutungen sowie Ausgangspunkten für Metamorphosen.

Michael: In deinen Arbeiten steckt viel Präzision, aber auch Poesie. Wie gelingt es dir, mit reduzierten Mitteln komplexe Geschichten zu erzählen?


Moritz: Ich arbeite sehr kontrolliert – jedes Steinchen wird bewusst gesetzt. Aber genau in dieser Strenge entsteht eine meditative Tiefe. Es ist wie beim Schreiben eines Haikus: wenige Elemente, viel Bedeutung. Die Geschichten entstehen aus der Reibung – zwischen Farbe und Form, zwischen Bild und Erinnerung. Die Poesie liegt oft im Bruch, im kleinen zufälligen Fehler, im überraschenden Detail, das sich erst beim zweiten Blick offenbart.

Michael: Wie hat deine Erfahrung als Berufsschullehrer deinen Zugang zur Kunst geprägt – gibt es pädagogische Spuren in deinem künstlerischen Prozess?


Moritz: Absolut. Ich habe gelernt, Geduld zu haben – mit mir selbst und mit dem Prozess. Als Lehrer habe ich versucht, Räume zu schaffen, in denen Menschen sich entfalten dürfen. Genau das tue ich heute mit meiner Kunst: Ich baue Bilder, die Fragen stellen, nicht Antworten geben. Auch mein Wunsch, kindliche Materialien wie LEGO zu verwenden, ist ein Stück Pädagogik – ein Impuls, das Spielerische zu bewahren.

Michael: Du arbeitest eng mit deinem Ehemann Armin zusammen. Wie beeinflusst eure Partnerschaft euer kreatives Schaffen – ergänzt ihr euch oder gibt es auch kreative Reibungen?


Moritz: Wir ergänzen uns enorm. Armin hat ein unfassbares Gespür für Ästhetik und Inszenierung. Ich profitiere von seiner Erfahrung in der Beauty- und Modewelt, er von meinem handwerklich-konzeptionellen Ansatz. Natürlich gibt es Reibungen, aber sie sind produktiv. Wir diskutieren viel, hinterfragen uns gegenseitig – das ist wertvoll. Es gibt keinen Filter zwischen uns, das macht die Zusammenarbeit ehrlich und manchmal mutig.

Michael: Du engagierst dich auch in Projekten mit Kindern – warum ist dir die Förderung kindlicher Kreativität so wichtig?


Moritz: Kreatives Denken ist ein wesentlicher Teil von Entwicklung – unabhängig davon, ob jemand „Talent“ hat oder nicht. Freude am Gestalten, Ausprobieren, Andersdenken kann gestärkt werden. Kinder haben noch einen natürlichen Zugang zur Welt, sie bewerten nicht. Genau das möchte ich erhalten: einen Raum, in dem freies, spielerisches Denken erlaubt ist. Es geht nicht darum, kleine Künstler zu formen, sondern Kindern zu zeigen, dass ihre Ideen wertvoll sind.

Michael: Was möchtest du mit deiner Kunst beim Publikum auslösen – gibt es eine Botschaft, die sich durch deine Werke zieht?
Moritz: Ich wünsche mir, dass Menschen stehen bleiben, hinschauen, schmunzeln – und dann nachdenken. Meine Werke sollen Spaß machen, aber auch irritieren. Es geht um die Frage: Was ist wertvoll? Warum hängen wir an Marken, Symbolen, Dingen? Ich möchte nicht belehren, sondern Impulse geben. Und wenn jemand nach dem Betrachten meiner Kunst Lust bekommt, selbst kreativ zu werden – dann habe ich mein Ziel erreicht.

Zwischen Bauklötzen und Blattgold eröffnet Moritz Morbach einen Dialog über Statussymbole, Erinnerungen und die Freiheit des kindlichen Staunens. Seine LEGO-Kompositionen erinnern daran, dass Kunst kein elitärer Elfenbeinturm sein muss, sondern ein lustvolles Spielfeld, auf dem jeder Stein eine neue Frage stellt. Wer beim nächsten Besuch in der Galerie also vor seinen farbenfrohen Reliefs innehält, sollte sich nicht wundern, wenn er plötzlich wieder Lust verspürt, selbst zu bauen – und den Wert des eigenen kreativen Funken neu zu entdecken.

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