November Rain

CityGlow

1. November 2024

Aufrufe: 1120

Ich sage: Der November ist der überflüssigste Monat des ganzen Jahres. Sollten Sie da Geburtstag haben, tut mir das natürlich leid. Aber alle anderen Menschen brauchen den November eigentlich nicht.

Ich hatte vor ein paar Jahren ein Ritual mit meinem Großvater – wir telefonierten jeden Abend, wenn ich zu Fuß auf dem Nachhauseweg von der Arbeit war; es waren etwa 20 Minuten – unterbrochen von einem Funkloch, dass genauso zum running gag wurde wie der vorbei rauschende ICE. Wir diskutierten regelmäßig über Politik, die Medien, tauschten uns über den neusten Tratsch und Klatsch aus. Und irgendwann war November. Es war kalt und nass und ich regte mich auf, dass ich den Schirm vergessen hatte. Mein Opa sagte, dass er den November zum sinnlosesten Monat des Jahres auserkoren hat. Mein Opa führte viele Jahrzehntelang einen kleinen Bauernhof, er liebte den Wechsel der Jahreszeiten, den Lauf der Dinge, von der Saat bis zur Ernte mit allen Ruhe- und Arbeitszeiten. Aber grad der November – der war für ihn vollkommen überflüssig.

Auch heute kann ich meine Abneigung zum November nicht verbergen.

Der Oktober ist golden, der November grau. Es ist nicht nicht Weihnachten und man hängt so zwischen den Seilen. Es wird zeitig dunkel und morgens nicht hell. Irgendwie ist das wirklich nicht schön, ganz rational betrachtet.

Der November hat natürlich einige historische Ereignisse hervorgebracht, deren es zu denken gilt.

Um ihr Geschichtswissen etwas aufzufrischen: Der 9. November ist ein besonderer Tag – er wird in Deutschland sogar oft als „Schicksalstag“ bezeichnet, da an diesem Datum mehrere bedeutende Ereignisse der deutschen Geschichte stattfanden: 1918 das Ende des Ersten Weltkriegs und die Ausrufung der Weimarer Republik, fünf Jahre später der Hitlerputsch in München. 1938 war die Reichspogromnacht; 1989 kam es genau wieder an diesem Tag zum Fall der Berliner Mauer, einem der Wendepunkte in der deutschen Wiedervereinigung. Verrückt, oder?

Um die Stimmung im tristen Herbst-bald-Winter-Grau etwas aufzuhellen, kann man natürlich Sankt Martin feiern – früher mit Laternen und Umzügen – das war ein Spaß. Meine Oma hat mit mir immer Laternen gebastelt und weil es früher natürlich noch nicht solche Dinger mit LEDs und Batterien gab, hatten wir echte Kerzen in den Papierlaternen drin. Ich sag Ihnen, ich hab ja so Angst vor Feuer und hab mir jedes mal ins Hemd gemacht. Und regelmäßig gingen bei einigen Nachbarskindern die Laternen in Flammen auf. Gruselig!

Eigentlich steht im November dann doch noch ziemlich viel an, jedenfalls wenn man wirklich traurig sein möchte und kann. Denn am Volkstrauertag gedenkt man der Opfer von Krieg und Gewalt und am Totensonntag dann noch den Verstorbenen. Wie gesagt, so richtig fröhlich ist das nicht. Aber ein Lichtblick gibt es: Denn mit dem letzten Sonntag vor dem 1. Advent ist das Kirchenjahr offiziell zu Ende und man kann was: Richtig! Glühwein trinken und sich von Weihnachtsmarkt zu Weihnachtsmarkt vorarbeiten.

Und natürlich können die, die es mögen, es schon am 11.11. feiern und es richtig krachen lassen. Die Rheinländer wissen schon, wie sie sich den tristen Ekelmonat versüßen können! Allerdings kommt das böse Erwachen natürlich am Morgen danach. Alkohol hilft kurzfristig, lenkt ab, entspannt und hebt die Stimmung – brauche ich Ihnen sicherlich nicht genauer erklären. Ist aber eben langfristig kein Heilmittel. Weder für Probleme noch für triste Novembertage.

Ich habe tatsächlich selbst noch keine Strategie, wie ich den Monat überstehen soll. Dieses Huschel-Kuschel-Feeling kommt bei mir nämlich erst im Dezember – so mit Kerzenschein und Decke und Kamin und einem guten Buch. Zugegeben: ich lese auch den Rest des Jahres viel (und zwar nicht nur die Captions unter zahlreichen Instagram-Posts). Aber im Dezember wird das en vogue im Bekanntenkreis.

Strich drunter: Eigentlich ist der November nur zum Überstehen da; zum Durchhalten. Zum „bald ist Weihnachten“ und „auch die Tage werden dann wieder länger“ sagen.

Oder?

Ich hab grad geschaut, ob ich in den letzten Jahren irgendwas wirklich Tolles im November erlebt habe. Das kann man ja ganz leicht im Fotoalbum vom Handy machen. Und sieh an: Da waren einige Highlights dabei. Tolle Partys, interessante Ausstellungen, gute Projekte und es gab auch bisschen Food-Content zum Dahinschmelzen. Aber das alles tröstet natürlich nicht über einen grau-schwarzen Montag Morgen hinweg.

Bleibt eigentlich nur, sich echte Highlights zu setzen und in der Zwischenzeit im Bett zu verschwinden.

Ich hab aber gerade noch an was gedacht, dass mir letztes Jahr echt geholfen hat – eine Tageslichtlampe. Sieht zwar recht eigenartig aus, sich davor zu setzen und ins extrem helle Licht zu starren. Aber es hilft. Nach 30 Minuten ist irgendwas anders. Kann auch Einbildung sein, dass ich mich danach fitter und wohler fühle. Als Verkaufsargument hat es auf jeden Fall geklappt.

Ich wünsche Ihnen einen maximal ekligen November, den Sie überstehen werden – und zwar mit großartigen Highlights und voller Vorfreude auf die Weihnachtszeit. Wenn Sie einen Tipp haben, was ich besser machen kann, freue ich mich über Post. Bis bald!

mail@louisa-noack.de

cityglow autor

cityglow

CITYGLOW: Beleuchte den Puls des urbanen Lebens!

Das könnte dich auch interessieren

Mit ein bisschen Glück bekommen wir einen goldenen Oktober.

Was für eine romantische Vorstellung, oder? Mit kuscheligem Pullover Arm in Arm durch bunte Wälder spazieren. Danach eine feine Tasse…

Von Maiskolben und neuen Jeans – es herbstet langsam los

Haben Sie auch manchmal ein Kinderlied im Ohr und wissen gar nicht mehr, wie die Melodie genau war? Aber irgendwas…

Jetzt wirds heiß! Ohne Klimaanlage oder beim Liebe machen in Marokko. 

Auch wenn der August wohl die heißesten und schönsten Tage des Jahres mit sich bringt - achten Sie auf Wespen…

Heiß, heißer, Juli! 

Der Juli ist mit großer Wahrscheinlichkeit einer der zwei freizügigsten Monate des Jahres - nur leider werden die Tage ja…

Wenn die Juni-FOMO kickt!

Junikäfer, Junimond, der Frühsommer lockt uns aus dem Haus und es könnte gar nicht schöner sein.

Was wird nicht alles über den Mai gesungen und geschrieben! Es ist mit Abstand mein persönlicher Lieblingsmonat. Nur geht jedes Jahr etwas schief. 

Als ich 15 Jahre alt war, gab es bei uns in der Region die Tradition des Hexenfeuers - also, das…