Kaninchen waren der Anfang
Künstlerin Maria Summer Sormani hält mit der Malerei ihr Leben auf Kurs
Hallo Summer, lass uns doch mal ganz von vorn anfangen. Wie kamst du zur Kunst?
Ich begann schon in jungen Jahren mit dem Zeichnen aller Dinge und Menschen um mich herum, aber mit sechs Jahren wurde mir klar, dass ich ein besonderes Talent hatte, als ich mich in die Kaninchen meiner Nachbarn verliebte. Diese hab ich jeden Tag im Garten beobachtet und sie dann in all ihren Posen aus meiner Erinnerung gezeichnet. Sie essen während sie auf dem Boden liegen und springen. Das überraschte meine Mutter, die Lehrerin war. Sie zeigte ihrem Kollegen, dem Zeichenlehrer, meine Zeichnungen und er sagte ihr, dass ich ein Talent zum Zeichnen hätte und so ging es los.
Gibt es jemanden in deiner Familie, von dem du möglicherweise dieses kreative Talent geerbt hast?
Es hängt definitiv mit der Genetik zusammen, aber ich kenne ehrlich gesagt iemanden in meiner Familie oder meinen Verwandten, der so ausgeprägt in Sachen Malerei aktiv ist wie ich.
Wie definierst du dich als Künstlerin?
Kunst ist Teil meiner Persönlichkeit und ich danke Gott, dass er mir dieses Talent geschenkt hat. Aber gleichzeitig mag ich es nicht, dass meine Persönlichkeit auf die Kunst reduziert wird. Ich bin zuerst ein Mensch und dann ein Künstlerin.
Was ist dein Ziel als Künstlerin?
Die Kunst des Malen und Zeichnen ist meiner Meinung nach die größte aller Künste, denn alles um uns herum hat eine Form und Farbe. Alle Dinge sind gezeichnet. Das macht dieses besondere Geschenk zu einer Art Gebet, das mich dazu bringt, über die Schönheit des Schöpfers nachzudenken, der alles so schön kreiert hat. Alles, was die Menschen danach machten, zeichneten sie zuerst: Gebäude, Maschinen, Kleidung, Schuhe und so weiter. Dieses Talent ist also nicht nur ein Thema zur reinen Unterhaltung oder des Zeitvertreibs. Vielmehr griff es in alles ein, was Menschen tun. Deshalb sehe ich das Malen als ein spirituelles Ritual, das dem Gebet entspricht.
Du kommst ja aus Syrien, also aus einem Land, das sich schon seit Jahren im Krieg befindet. Beeinflusst dich deine Herkunft in deiner Kunst? Wenn ja, wie äußert sich das?
Natürlich liebe ich Syrien, so wie ich alle Länder der Welt liebe. Ich hätte in jedem anderen Land geboren werden können. Deshalb macht es mich so traurig, dass mein Land oder auch derzeit andere einem Krieg ausgesetzt sind. Dennoch drücke ich durch meine Bilder keine Traurigkeit aus. Weil ich nicht möchte, dass meine Kunstwerk für andere Menschen eine Quelle des Schmerzes sind. Das erinnert sie nur daran, dass diese Welt ihnen wenig Hoffnung bietet. Ich möchte nicht, dass die Botschaft meine Kunst negativ ist.
Wie stark hat sich dein Leben verändert, als der Krieg in Syrien ausbrach?
Der Krieg hatte keinen großen Einfluss auf mein Leben als Einzelperson, da ich auf individueller Ebene bis heute in einem ständigen Konflikt mit der gesellschaftlichen Mentalität war und bin. Deshalb ist Krieg in diesem Sinne für mich nicht unbedingt etwas Neues.
Konntest du nach deinem Wegzug von deiner Heimat unmittelbar mit deiner künstlerischen Tätigkeit fortfahren? Ich weiß zum Beispiel von manchen ukrainischen Künstlern, dass sie zuerst in einen Schockzustand verfallen sind, der sich sehr ungünstig auf ihre künstlerische Produktivität ausgewirkt hat. Wie war das bei dir?
Konflikte sind für mich wie erwähnt nichts Neues, deswegen konnte ich diesen Kampf in ein positives individuelles Wachstum verwandeln, um mein Privatleben auf Kurs zu halten und meine Ziele als Mensch zu erreichen.
Hast du dich gut und schnell in Hamburg einleben können? Kamst du sofort mit der Mentalität in Norddeutschland klar?
In Deutschland hat sich mein Leben deutlich verbessert und ich bin der deutschen Gesellschaft dankbar, dass sie mehr Raum für individuelle Freiheit hat. Gleichzeitig kann ich keiner gesellschaftlichen Mentalität angehören, ich möchte meine individuelle Mentalität beibehalten. Dadurch habe ich das Gefühl, dass ich eine echtere Verbindung zu den Menschen aufbauen kann. Gleichzeitig glaube ich, dass die deutsche Gesellschaft diese persönliche Entscheidung respektiert, während ich in Syrien ständig für die Wahrung meiner individuellen Grenzen kämpfen musste, bis ich die Situation dort nicht mehr ertragen konnte.
Kommen wir auf deine gegenwärtige Situation als Künstlerin und da frage ich mal etwas provokativ: heute heutzutage gibt es eine Menge Gemälde und unheimlich viele Künstler auf dem Markt, davon auch einige mit bemerkenswerten Kunstwerken. Wie unterscheiden sich deine Kunstwerke vom Rest?
Ich vergleiche meine Kunstwerke wirklich nicht gerne mit denen anderer Leute. Ich finde, dass jeder Künstler sich durch die Kunst auf eine andere, unverwechselbare und überraschende Weise ausdrückt. Ich liebe und respektiere diesen Unterschied sehr, weil er die höchste Ebene menschlichen Ausdrucks zum Ausdruck bringt. Ein Vergleich könnte diesen Unterschied nur verfälschen.
Man kann in deinen Bildern einiges an Stimmungen ablesen. Verarbeitest du damit hauptsächliche deine eigenen jeweils aktuellen emotionalen Befindlichkeiten oder bist du in der Beziehung mehr als Beobachterin deiner Umwelt tätig?
Wenn ich Menschen male, male ich sie aus meiner Beobachtung heraus und auch als Ausdruck meiner Gefühle gegenüber ihnen und dem, was sie tun. Man kann sagen, dass es ein vollständiger Ausdruck meiner selbst und auch anderer ist. Darin liegt eine besondere Schönheit beim Malen von Menschen; nämlich die Fähigkeit, gleichzeitig Schönheit in anderen und in sich selbst zu sehen.
Wie würdest du selber die stilistische Richtung deiner Bilder bezeichnen?
Vor allem surrealistische Gemälde drücken meine Persönlichkeit aus, weil sie meine eigene Lebensphilosophie einbeziehen und wie ein Spiegel meiner inneren Welt sind. Meine psychologischen Konflikte, meine Sicht auf das Universum und eine psychologische Analyse einiger Persönlichkeiten in der Gesellschaft und einiger sozialer Situationen sind darin einbezogen. Bei diesen Bildern konzentriere ich mich nicht so sehr auf die Form, sondern eher auf die Idee. Deshalb male ich einfache Formen mit harmonischen Farben und konzentriere mich auf Schatten und Licht.
Motive mit Musik und Musikern/-innen kommen bei dir relativ häufig vor, hast du als Privatmensch und/oder als Künstlerin eine besondere Beziehung zur Musik?
Ich begann schon in jungen Jahren, klassische Musik zu lieben, als ich dreizehn Jahre alt war. In diesem Alter kaufte ich Kassetten mit klassischer Musik. Diese Liebe zur klassischen Musik hält bis heute an. Im Alter von neunzehn Jahren verliebte ich mich auch in die Kunst des Operngesangs. Ich liebe es, Musik zu hören, die sich auf alle Kulturen der Welt bezieht. Darüber hinaus singe ich auch, habe das Singen aber nicht professionell gelernt. Ich liebe das Tanzen und habe auch als Tanzlehrerin gearbeitet. Musik ist eines der wunderbarsten Dinge, die die menschliche Gemeinschaft charakterisieren.
Lass uns zum Schluss noch etwas über die Stadt reden, in der du nun seit einigen Jahren lebst, Hamburg. Wo gehst du da am liebsten aus? Welche Restaurants, Bars und Clubs sind deine Favoriten?
Vor 8 Jahren habe ich in Hamburg-Altona Freunde gefunden, die selber Musiker und Musikliebhaber sind. Dort traf ich auch Professor Herbert Bruhn, der eine alte Druckerei besitzt, die er zu einer Musikaufführungsstätte umfunktionierte. Dieser Ort ist zu meinem Lieblingsort geworden. Hier kommen all die Dinge zusammen, die ich liebe: aufgeschlossene Menschen, klassische Musik und Rotwein und die einzigartigen Geschichten jedes Menschen, der dorthin geht. Dort treffe ich meine Freunde an ihren Geburtstagen, Weihnachten, an Silvester und vielen anderen Anlässen. Dort habe ich auch viele meiner Bilder ausgestellt. Und ich selber wurde Teil dieses wunderbaren Ortes.
Wann und wo findet deine nächste Ausstellung in Hamburg statt? Gibt es dazu schon ein konkretes Datum?
Ein konkretes Datum kann ich noch nicht bieten, aber es wird höchstwahrscheinlich im Frühjahr 2025 eine Ausstellung mit einigen meiner Musikgemälden geben.
Dann sind wir schon sehr gespannt darauf und bedanken uns für dieses erleuchtende Gespräch. Viel Erfolg weiterhin in deiner künstlerischen Karriere!
Interview von Cetin Yaman