Juni – Zwischen Flip-Flops und Fruchtfliegen
Es ist Juni. Der Monat, der sich anfühlt wie ein tiefes Einatmen nach dem langen Anlauf durchs erste Halbjahr. Der Mai hat uns aufgewärmt, ein bisschen geblinzelt und gewinkt – aber der Juni? Der Juni tritt einfach die Tür ein, reißt die Fenster auf und ruft: „So, jetzt wird gelebt, Leute!“
Und da stehen wir dann, leicht überfordert, mit Sonnencreme in der einen und einer zu warmen Jacke in der anderen Hand. Irgendwo zwischen dem verzweifelten Versuch, die Sommerfigur in letzter Minute herbeizuzaubern, und der ersten Melone, die im Einkaufswagen liegt, weil: Jetzt ist Sommer. Basta.
Juni – Der offizielle Start der Sorglosigkeit (theoretisch)
Der Juni hat etwas Verheißungsvolles. Die Tage sind jetzt am längsten, die Nächte lau und voller Möglichkeiten – oder zumindest voller Fruchtfliegen, die abends im Lichtkegel der Balkonbeleuchtung ekstatisch ihre Kreise ziehen.
Ich erinnere mich an einen Juni-Abend, da wollte ich es mir so richtig schön machen. Balkon aufgeräumt, die Polster frisch gewaschen (was bekanntlich eine absolute Ausnahme ist), Kerzen aufgestellt, eine Karaffe mit selbstgemachter Limonade (also: Wasser, ein Hauch Zitronensaft und wahnsinnig viel Deko-Gurke) – Instagram hätte vor Neid erblassen können.
Und dann? Kaum hatte ich mich in die Kissen sinken lassen, hörte ich es schon: dieses leise, triumphierende Surren. Eine einzige Fruchtfliege, die offenbar beschlossen hatte, sich genau an diesem Abend zu reproduzieren – und zwar möglichst spektakulär. Sekunden später waren es dann gefühlt 800 ihrer besten Freunde.
Die Limonade wurde zur Brutstätte, die Kerzen zur Todesfalle (was ich insgeheim ziemlich dramatisch fand), und ich verbrachte den restlichen Abend damit, bewaffnet mit einem Geschirrtuch und einer Mischung aus Ekel und sportlichem Ehrgeiz, die Plage in den Griff zu bekommen. Der Balkon sah danach aus, als hätte eine Mücken-Polizei-Sondereinheit ein Einsatztraining abgehalten.
Juni – Das Versprechen von Ferien, auch wenn man keine hat
Der Juni riecht nach Ferien, selbst wenn man längst nicht mehr schulpflichtig ist. Irgendwas im Gehirn schaltet um, wenn dieser Monat anbricht. Vielleicht liegt es an den Erinnerungen: die letzten Schultage, an denen sowieso niemand mehr ernsthaft gearbeitet hat. Diese flirrende Vorfreude, wenn man im Kunstunterricht eigentlich noch „Projektarbeit“ machen sollte, aber stattdessen stundenlang Freundschaftsbänder knotete.
Oder der eine legendäre Schulausflug, bei dem sich alle geschworen haben, wirklich nie den Kontakt zu verlieren – während man gleichzeitig fest daran glaubte, dass der süße Junge aus der Parallelklasse heimlich doch auch ein bisschen verliebt ist.
Ich erinnere mich noch gut an meinen letzten Schulausflug im Juni. Ziel: ein Hochseilgarten. Warum Lehrer glauben, dass es eine gute Idee ist, hormonell instabile Teenager in schwindelerregende Höhen zu schicken, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
Ich, mit ein bisschen Höhenangst ausgestattet udn einem Selbstbewusstsein, das in etwa so stabil war wie die hölzernen Wackelbrücken dort oben, stand also auf einer Plattform und tat das einzig Logische: Ich klammerte mich am Sicherungsseil fest und schrie.
Der süße Junge aus der Parallelklasse (natürlich braun gebrannt, sportlich und mit einem Lächeln, das selbst Sonnenbrillen zum Schmelzen brachte) kletterte seelenruhig an mir vorbei und sagte: „Alles okay bei dir da oben?“
Ich nickte. Also… Ich glaube, ich habe genickt. Möglich aber auch, dass ich einfach nur dehydriert vor mich hin zitterte. Auf jeden Fall endete mein heroischer Auftritt damit, dass ich von einem der Betreuer höchstpersönlich von der Plattform geholt werden musste – unter dem sanften Applaus meiner Mitschüler.
Aber wissen Sie was? Heute kann ich drüber lachen. Und genau das ist doch auch irgendwie Juni: Dinge tun, bei denen man sich komplett lächerlich macht, aber dabei das Gefühl hat, zu leben.
Der Juni ist kein Monat – der Juni ist ein Gefühl
Es ist diese Leichtigkeit, die durch die Straßen weht. Plötzlich sitzen Menschen draußen, die man den ganzen Winter über nicht ein einziges Mal gesehen hat. Die Straßencafés platzen aus allen Nähten, obwohl die Stühle noch wacklig sind und der Aperol Spritz langsam teurer ist als eine Tankfüllung.
Und dann dieser magische Moment, wenn man spätabends in T-Shirt und Shorts noch einen Spaziergang macht – einfach, weil es geht. Weil die Luft nach Grillkohle, frisch gemähtem Gras und ein bisschen Abenteuer riecht.
Der Juni ist auch der Monat der großen Pläne:
„Wir müssen dieses Jahr unbedingt ans Meer!“
„Ich bau mir einen kleinen Kräutergarten auf dem Balkon!“
„Diesmal grillen wir wirklich jede Woche – ich schwöre!“
Und während die einen anfangen, ihren Urlaub zu planen, sind die anderen schon kläglich an der Verantwortung gescheitert, die ein Basilikumtopf mit sich bringt. (Pro Tipp: Er stirbt IMMER. Egal, wie gut man es mit ihm meint.)
Die große Kunst des Juni: Einfach mal lassen
Vielleicht ist das auch das Geheimnis dieses Monats: Man muss nicht alles schaffen. Man muss nicht perfekt vorbereitet sein. Nicht den Körper, die Karriere oder den Kräutergarten optimieren.
Man darf einfach mal… lassen.
Sich treiben lassen. Barfuß über den Rasen laufen – auch wenn die Nachbarn kritisch gucken. Den lauwarmen Kaffee genießen, weil man beim Lesen auf dem Balkon die Zeit vergessen hat. Und wenn der Sommerregen kommt? Na, dann halt einmal ordentlich nass werden.
Denn am Ende sind es genau diese Momente, die bleiben. Diese kleinen, unperfekten, chaotischen Augenblicke, in denen man einfach mal nichts geplant hat – und plötzlich alles stimmt.
In diesem Sinne: Willkommen im Juni. Ziehen Sie die Schuhe aus, lassen Sie den Kalender mal Kalender sein – und wenn eine Fruchtfliege in Ihrem Wein landet, dann denken Sie einfach: Ach, die wollte auch nur ein bisschen Sommer spüren.
Prost auf den Juni!