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Das Exotische ist mitten unter uns, man muss es nur zu sehen wissen
Street Photography in Action. Der Fotokünstler Alphonse Conséla hat ein Motiv entdeckt © Privat
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Das Exotische ist mitten unter uns, man muss es nur zu sehen wissen

von CityGlow

Alphonse Conséla ist als Street Photographer unterwegs

Die sogenannte „Street Photography“ hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen wahrhaften Boom erfahren. Wesentlich begünstigt wurde dies durch das Aufkommen der Digitalfotografie und der Möglichkeit, mit seinem eigenen Mobiltelefon jederzeit und überall qualitativ hochwertige Fotos zu schießen. In dieser Fotokunstrichtung geht es darum, unmittelbare zufällige Begegnungen und Ereignisse an öffentlichen Orten zu zeigen. Manchmal wird diese auch „ehrliche Fotografie“ genannt, da die abgebildeten Personen sich nicht extra in Pose für diese Aufnahme stellen und alles möglichst authentisch sein soll. Manche sehen im Street Photographer den legitimen Nachfolger des typischen Flaneurs aus dem 19. Jahrhundert, einen „Beobachter der Straßen“. In dieser Hinsicht ähnelt der Street Photographer Sozialdokumentarfotografen oder Pressefotografen, die ebenfalls an öffentlichen Orten arbeiten. Einer der sich im Aufstieg befindenden Künstler in diesem Genre ist der gebürtige Belgier Alphonse Conséla, der seinen Wohnort mit Hamburg und Brüssel teilt. Wir unterhielten uns mit ihm über seine Arbeitsweise und darüber, wann eine Szene es wert ist, fotografisch festgehalten zu werden.

„The King’s Car“: Die königliche Karosse von King Charles zwischen Containern und Baugerüsten erfasste Conséla kunstvoll beim Besuch seiner Majestät in der Hansestadt im März 2023 © Alphonse Conséla

CITY GLOW:

Zunächst einmal: Alphonse Conséla ist dein Künstlername, wieso arbeitest du als Street Photographer nicht unter deinem bürgerlichen Namen (den du hier auch nicht verraten willst)?

Alphonse Conséla:

Das hat einen sehr einfachen Grund: mich kann man auch ganz normal als Fotografen für alle möglichen Zwecke buchen. Zum Beispiel auf Betriebsfesten, privaten Feiern oder sonstigen Events bin ich mit meiner Kamera unterwegs. Diese Fotos werden teilweise auch unter meinem Namen auf Social Media und so weiter veröffentlicht. Das würde dann mit meinen Image als Street Photographer kollidieren, denn viele erwarten unter meinem Künstlernamen schon eine gewisse Art von Fotografien und wären dann sicher enttäuscht, wenn sie „ganz normale“ Gruppen-Fotos von Menschen sehen würden.

CG: Du bist ja schon lange Berufsfotograf, was hat dich eigentlich zur Fotografie gebracht?

AC: Im Gegensatz zu vielen Menschen, die später einmal Fotograf werden, wurde ich als Kind nicht dazu ermutigt, mich mit der Fotografie zu beschäftigen; es gab auch keinen Vater oder Opa, der ein Amateur-Enthusiast gewesen wäre und mich damit bekannt gemacht hätte. Es war sogar ein großer Zufall, dass ich überhaupt Fotograf wurde. Denn eines Tages vor ca. 20 Jahren bewarb ich mich als Redakteur bei einer Lokalzeitung in Brüssel und die sagten, dass ich sofort anfangen könnte, allerdings müsste ich dann auch die Fotos zu meinen Berichten erstellen. Und damit ging’s dann los.

CG: Wieso ist Fotografie im Allgemeinen und die Street Photography im Besonderen für dich von so großer Bedeutung?

AC: Ich denke, das lässt sich darauf zurückführen, dass ich geradezu entsetzt bin über den schnellen Lauf der Zeit, über die Vergänglichkeit des Menschen und Vergänglichkeit der Dinge. Die Fotografie bietet mir eine illusorische Möglichkeit, die Zeit anzuhalten und ein paar Dinge vor dem Vergessen zu bewahren.

CG: Gibt es einen Fotografen, der dich ganz besonders beeindruckt hat?

Schwer zu sagen, es gibt sehr viele sehr gute Fotografien, aber ich mag immer nur vereinzelt Fotos, weil ich immer nach dem ganz besonderen Kick auf den Fotos suche. Etwas, wo man sich denkt: Wow, das hätte ich möglicherweise live gar nicht mitbekommen! Und da bin ich dann sehr dankbar, dass so ein spezieller Moment von einem Kollegen festgehalten wurde. Die Kollegen bewundere ich auch, aber ich könnte jetzt nicht sagen, dass ein ganz spezieller ein Vorbild oder so für mich gewesen wäre. Alfred Stieglitz beispielsweise hat hervorragende Fotos gemacht, aber die gingen eigentlich auch mehr in Richtung Sozialreportage. Er hatte mit seinen Aufnahmen schon vorher eine bestimmte Absicht verfolgt. Das ist in der Street Photography, wie ich sie mache, nicht der Fall. Ich lasse mich da teilweise komplett vom Zufall leiten.

CG: Mit welchen Kameras fotografierst du eigentlich?

AC: In meinem Hauptberuf als Event-Fotograf eine Canon EOS 5D, für Street Photography auch Canon, allerdings ein paar Nummern kleiner, da habe ich verschiedene zur Auswahl. Bin aber auch sehr oft nur mit meinem Smartphone bewaffnet unterwegs. Meine Huawei macht hervorragende Fotos, die schon qualitativ die von Kameras von vor ein paar Jahren übertreffen.

CG: Lass uns mal ganz theoretisch überlegen: wenn du die Chance hättest, exakt im richtigen, entscheidenden Moment Zeuge der perfekten Straßenszene zu werden und die Kamera draufzuhalten. Was wäre das?

AC: Nun, genau das ist der Punkt an der Street Photography: ihre völlige Unvorhersehbarkeit; die Tatsache, dass sie einen überrascht – auch mich als Fotografen. Wenn ich schon vorher weiß, was passieren wird, verliert es für mich als Fotografen an Reiz, das will ich dann auch nicht mehr knipsen. Deswegen kann ich diese Frage nicht beantworten – jedenfalls nicht vorher, nach der Aufnahme schon eher.

CG: Ist das auch der Grund warum deine Motive anscheinend so ganz wild gemixt wirken? Da sind Szenen von der Reeperbahn, Kanu-Paddler auf der Elbe oder auch fröhlich feiernde Hochzeits-Gäste zu sehen.

AC: Das ist aber nur auf den ersten Blick so, denn es geht immer um den gewissen einen Augenblick. Das kann etwas Traurig-melancholisches, eine angespannte Konzentration sein oder einen freudigen Erwartungsausdruck darstellen. Da darf man den im Englischen ebenfalls dafür verwendeten Begriff der „Candid Photography“ sehr wörtlich nehmen: Mimik und Gestik sind „echt“, da hat nicht jemand extra für die Kamera posiert.

CG: Du lebst und arbeitest die Hälfte deiner Zeit in Hamburg, aber deine größere Reputation ist in deiner Heimat in Belgien, wo du neulich auch einen Preis gewonnen hast. Findest du das nicht etwas enttäuschend?

AC: Nein, überhaupt nicht. Denn erstens bringt mir die Street Photography unheimlich viel Spaß, manche äußerst gelungenen Aufnahmen sehe ich mir selber immer wieder und wieder gern an. Dazu benötige ich keine Stimmen von außen, die mir erzählen wie toll ich wäre. Und zweitens bin ich in Hamburg und Brüssel bisher mit meinem Hauptberuf als Event-Fotograf vollkommen ausgelastet gewesen.

CG: Das ist aber schade, planst du denn nicht mal eine Ausstellung in Hamburg?

AC: Doch, da bin ich gerade in den Vorbereitungen, wahrscheinlich wird es im Frühjahr 2026 soweit sein.

CG: Dann wünschen wir dir dabei jetzt schon mal viel Erfolg, wir werden uns deine hochgradig interessanten Street Photography-Werke in jedem Fall ansehen, Alphonse!

Erinnert von der Bildkomposition an die Gemälde des US-Malers Edward Hopper: eine Szene vor einer Bar auf der Reeperbahn in St. Pauli © Alphonse Conséla
Fotografie, die wie Malerei wirkt: Consela hat den Blick für interessante Straßenszenen, die er kunstvoll einfängt. Ein Schuss durch die Glasscheibe einer Fähre gibt der Szenerie an den Landungsbrücken auf diese Art einen romantischen Anstrich © Alphonse Conséla
Strahlendes Lächeln auf beiden Seiten, doch wem gilt der Blick? Das siegreiche Pferd und der Jockey werden von einem Mann mit Melone und einem Kranz in der Hand empfangen. Consélas Kamera hält diesen Moment hyper-realistisch fest © Alphonse Conséla
Zur Street Photography zählen nach der Auffassung von Conséla auch Straßen ohne Menschen. Diese Weggabelung mutet bei dieser vom Kunstfotografen gewählten Perspektive wie ein Panorama in einem südamerikanischen Hochland an, es handelt sich aber tatsächlich um einen Fußgängerweg im Alten Land (Hamburger Teil) © Alphonse Conséla

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