„Back to Khmer“
Nils Petter Molvaer im NICA Jazz Club Hamburg
Mit einer Glocke in ein Konzert zu starten ist nie eine schlechte Idee, Nils Petter Molvaer (Trompete) und die Jungs in seinem Trio, Jo Berger Myhre (Gitarre, Bass) und
Erland Dahlen (Drums), schieben einige rockige Klänge hinterher, vergessen aber dabei nicht den typischen Sphären-Sound mit hineinzumischen. Schon ist man im legendären Khmer-Feeling, das Album, das Molvaer in den 90er Jahren weltweit zu Ruhm gebracht hatte. 250.000 Alben von einem Jazz-Werk verkaufen zu können, das ist ein wahres Kunststück, und so ist diese Aufnahme ein absolutes Meisterwerk, das auch 30 Jahre nach Veröffentlichung nichts an seiner Wildheit und Frische verloren hat. Überhaupt signalisiert der Abend im Nica Jazz Club in Hamburg eine Art Back to the Roots, das zweite Stück des Sets ist nämlich ebenso enorm Rock-lastig; die Anfang der 2000er Jahre hinzugekommenen musikalischen Experimente mit Electronica-DJs wie Moritz von Oswald sind da weit weg. Spartanisch ist die Formation, was jedoch bei Molvaer nicht heißt, dass es eintönig zugehen würde. Die Gitarre wird mit einem Bogen bespielt und der Maestro bläst auch mal gern auf der anderen Seite seines Instruments – direkt ins Horn! – hinein.
Transzendenz via Trompete
Wenn man Molvaer fragt, ob er mit seiner Musik spirituelle Absichten hege, verneint er dies, doch wenn man seine Musik hört, ergibt sich ein anderes Bild. Es gibt keinen anderen Trompeter, der es schafft, das subjektive Erleben einer sinnlich nicht fassbaren und rational nicht erklärbaren transzendenten Wirklichkeit in Klänge umzuwandeln. Formal geht es dabei zwar in verschiedene Klangwelten wie Jazz, Rock und Electronica (in den 90ern auch Drum’n’Bass), doch bleibt die Ebene, die dabei beim Hörer erreicht wird, immer die gleiche: unweigerlich beschäftigt man sich beim Lauschen seiner Musik mit Sinn- und Wertfragen des Daseins. Und ebenso denkt man sich, dass es irgendwie kein Zufall sein kann, dass „Spiritualität“ vom lateinischen Wort „spiritus“ abgeleitet ist, das „Geist, Hauch“ bedeutet und das Verb dazu „spiro“: „ich atme“. Die Tonerzeugung des Instruments, das Nils Petter Molvaer spielt, die Trompete, geschieht durch das Hineinblasen des Atems des Spielers…
Andächtige Begeisterung im Publikum
Ob mit oder ohne spirituelle Absichten, die Intensität der Musik bleibt davon unberührt, mal es geht es sanft melodisch zu – Jo Berger Myhre übernimmt mit seinem Bass die Melodieführung – und mal schafft das Trio einen unglaublichen Wall of Sound, bei dem man sich fragt, ob nicht hinter der Gardine doch noch ein paar weitere Musiker mitspielen. Es versteht sich von selbst, dass bei einem Live-Auftritt dieser Art jedes Bandmitglied in einem Solo-Part sein Können zeigen darf, dafür gibt es zu Recht jeweils starken Szenen-Applaus.
Fazit: Ein unheimlich starker Auftritt von Nils Petter Molvaer und seinem Trio, der damit bewies, dass er nach wie vor zu den großen, innovativen Namen der Jazz-Musik zählt.
Der NICA Jazz Club – Neu und schon bestens etabliert
Der im November vergangenen Jahres neu eröffnete NICA Jazz Club will durchschnittlich in der Woche bis zu fünf Konzerte anbieten – und das in Zeiten, in denen eher das Aussterben von Clubs die Schlagzeilen dominieren… Aber: man muss sagen, bisher – nach dem ersten halben Jahr – klappt das Ganze sehr gut, das Konzept der Künstlerische Leiterin Fee Schlennstedt scheint aufzugehen, die bisherigen Konzerte waren alle überdurchschnittlich gut besucht. Stolze 300 Sitzplätze sind auf der 400 Quadratmeter großen Fläche am Alten Wall in der Hamburger City angebracht, dennoch geht die intime Atmosphäre nicht verloren.
Hier weitere Konzert-Tipps für den Monat Juni:
4. Juni: Viktoria Tolstoy (Vocals) & Jacob Karlzon (Piano)
21. Juni: Emma Smith (Vocal Jazz)
29. Juni: Nigel Kennedy
Hier gibt es mehr Infos über den Club:
Text von Cetin Yaman
Nils Petter Molvaer ganz entspannt vor seinem Konzert im Interview mit CITY GLOW im Hotel Tortue © Cetin Yaman Fee Schlennstedt, Geschäftsführende Gesellschafterin und Künstlerische Leiterin des NICA Jazz Clubs hat, – nach den ersten erfolgreichen Monaten zu beurteilen – in Hamburg eine Marktlücke für Musikfans besetzt © Cetin Yaman