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Dezember – Zwischen Glühweinchaos und Kindheitsglitzer
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Dezember – Zwischen Glühweinchaos und Kindheitsglitzer

von CityGlow

Früher war der Dezember magisch. Punkt.

Heute ist er ein logistischer Ausnahmezustand mit Lichterketten und Lieferschwierigkeiten.

Ich erinnere mich an meine Kindheit, und alles war irgendwie… langsamer. Wärmer. Und voller Vorfreude. Schon der erste Dezember war ein Feiertag für sich – der Startschuss in den Advent. Ich stand morgens mit zerzausten Haaren in meinem Schlafanzug vor dem Adventskalender, zählte die kleinen Türchen und hatte das Gefühl, jeder Tag bringe mich einem Wunder näher.

Das war, bevor der Dezember sich in den Projektmanager des Jahres verwandelte.

Kindheits-Dezember: Glitzer, Gänsehaut und Geborgenheit

Wenn ich an den Dezember meiner Kindheit denke, dann denke ich an Licht. Nicht dieses grelle, LED-gefilterte Lichtermeer aus Einkaufsstraßen, sondern warmes Licht – Kerzen auf dem Adventskranz, Lichterketten im Wohnzimmer, das kleine Glimmen im Kamin.

Ich denke an die Vorfreude auf Weihnachten, die sich fast körperlich anfühlte. An das Warten, das Zählen, das Hoffen.

Jeden Morgen ein Stück Schokolade, das nach Geheimnis schmeckte. Und jeden Sonntag eine Kerze mehr, die brannte.

Meine Mutter backte in diesen Wochen fast pausenlos: Vanillekipferl, Zimtsterne, Spritzgebäck. Ich durfte immer „helfen“ – was bedeutete, dass ich den halben Teig roh aß und beim Ausstechen alle Ränder verformte.

Draußen lag oft Schnee – oder zumindest so etwas, das man mit Fantasie dafür halten konnte. Und drinnen roch es nach Nelken, Orangen und diesem leicht süßen Duft von Kerzenwachs.

Heiligabend – Rotkraut, Rosenkohl und Ritual

Weihnachten selbst war eine Choreografie, die jedes Jahr gleich ablief – und gerade deshalb so perfekt war.

Der 24. Dezember: Zuhause mit meinen Eltern. Ein bisschen Chaos am Vormittag, weil irgendwer immer noch ein Geschenk einpackte oder das Geschenkpapier suchte („Ich weiß ganz genau, ich hatte es hier hingelegt!“).Am Nachmittag dann das Schmücken des Baumes, den mein Vater traditionell erst am Tag vor Heiligabend gekauft hatte – manchmal mit leicht schiefem Stamm, aber mit Stolz präsentiert: „Der hat Charakter!“

Und dann das Warten. Diese Stunden zwischen Nachmittag und Abend fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Das Wohnzimmer war verschlossen, die Geschenke geheim, die Spannung kaum auszuhalten.

Beim Abendessen war das Rotkraut der Star. Ich habe es geliebt.

Rotkraut mit Klößen, Rotkraut mit Gans, Rotkraut mit… allem.

Ich hätte wahrscheinlich auch Rotkraut pur gegessen, wenn man mich gelassen hätte.

Und dann war da der Rosenkohl. Mein Endgegner als Fünfjährige. Diese kleinen grünen Dinger, die aussahen wie Baby-Kohlköpfe und schmeckten (in meiner Erinnerung damals) nach bitterem Weltuntergang.

Aber irgendwann – wahrscheinlich mit 14 oder 15 – passierte das Wunder: Ich mochte ihn. Plötzlich. Ohne Erklärung. Und von da an war der Rosenkohl Pflicht auf meinem Teller.

Meine Eltern waren fassungslos. Ich glaube, sie hatten darauf gewartet, dass ich meine Meinung irgendwann ändere – aber eher generell in der Pubertät zu allem, nur nicht beim Kohl.

Der 25. Dezember gehörte meiner Oma und der mütterlichen Verwandtschaft. Eine dieser großen Familienrunden mit Tischdecken aus Spitze, hunter Jahre alten Weingläsern, und mindestens zwei Tanten, die sich Imme rüber alles in die Haare bekamen. 

Ich aß übrigens auch an diesem Tag von allem doppelt, und niemand wunderte sich. Weihnachten war schließlich Ausnahmezustand.

Am 26. dann das Finale: die Verwandtschaft väterlicherseits.

Noch mehr Essen, noch mehr Gespräche, noch mehr Rotkraut.

Ich erinnere mich an volle Tische, laute Stimmen, leises Lachen. Und daran, dass ich als Kind dachte: So fühlt sich Geborgenheit an.

Erwachsenen-Dezember: Vorfreude unter Vorbehalt

Heute fühlt sich der Dezember anders an. Schneller.

Die Adventszeit, die früher endlos schien, rast jetzt vorbei, bevor ich überhaupt die zweite Kerze angezündet habe.

Weihnachtsmärkte eröffnen gefühlt schon Mitte November, und wenn man das erste Mal Lebkuchen im Supermarkt sieht, denkt man nicht: Oh, wie schön! – sondern: Wirklich? Jetzt schon?!

Zwischen Glühwein, Geschenklisten und Jahresend-Meetings bleibt kaum Raum für Stille.

Besinnlichkeit ist plötzlich etwas, das man „einplant“.

Adventskalender sind nicht mehr aus Pappe mit Schokolade, sondern hochpreisige Mini-Spa-Erlebnisse mit Teelichtern und Handcreme.

Und während ich früher jeden Tag auf Weihnachten zählte, zähle ich heute eher, wie viele Tage ich noch habe, um alles zu erledigen.

Der Dezember, das war einmal der Monat der Wunder.

Heute ist er der Monat der Paketzusteller.

Ein Versuch, zurückzufinden

Manchmal versuche ich, die alte Magie zurückzuholen.

Ich zünde wieder bewusst Kerzen an – nicht, weil’s „hygge“ ist, sondern weil ich dieses warme Licht brauche. Ich gehe abends spazieren, wenn die Lichter in den Fenstern brennen. Ich koche mir Rotkraut – nach Omas Rezept – und nehme mir Zeit, die Nelken einzustecken, die Äpfel unterzurühren, den Duft durch die Wohnung ziehen zu lassen.

Und ja – ich esse immer noch zu viel davon.

Ich backe wieder Plätzchen (diesmal mit weniger Chaos, aber immer noch mit Teignaschen) und verschenke sie in alten Keksdosen. Ich höre Weihnachtslieder, manchmal ganz kitschig laut.

Und ich gönne mir Momente, in denen ich einfach still dasitze und rausgucke.

Vielleicht ist das das Geheimnis des Dezember:

Er ist nicht dafür da, alles perfekt zu machen.

Sondern sich daran zu erinnern, dass es das mal war.

Fazit: Der Dezember ist kein Monat – er ist ein Gefühl

Ein Gefühl aus Duft, Licht und Erinnerung.

Er erinnert uns an das Kind in uns, das morgens ans Fenster lief, um zu sehen, ob es geschneit hat. An das Warten, das Hoffen, die Wärme.

Ja, der Dezember ist heute hektisch, überladen, laut.

Aber wenn man ganz still wird – zwischen zwei Liedern auf dem Weihnachtsmarkt, zwischen zwei Tassen Glühwein, zwischen zwei Terminen – dann ist er noch da.

Dieser eine Moment, in dem man kurz wieder Kind ist.

Und der Duft von Rotkraut, Nelken und Rosenkohl einem zuflüstert:

Willkommen Zuhause.

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