Moritz von Oswald spielt Keyboards und Percussion.

Techno plus Live-Schlagzeug

Michael Panusch

5. Dezember 2022

Aufrufe: 376

Moritz von Oswald Trio zeigt, wie gehts

Eine Überraschung gibt es direkt beim Eingang in den Saal auf der Bühne zu erblicken: der Besucher des Konzerts des Moritz von Oswald Trios stellt erstaunt fest, dass da tatsächlich ein Schlagzeug aufgestellt ist. Zum Verständnis: Moritz von Oswald gilt als Pionier der Musikrichtung Techno in den 90er Jahren. Also die Musikrichtung, die als Erstes was abschaffte? Exactement, das Live-Schlagzeug! Sowas nennt man wohl Ironie der Geschichte, wenn ein vor Jahrzehnten ausgemustertes Instrument ausgerechnet in der Musikrichtung ein Comeback feiert, die es einst als für ungeeignet für die neuen Klanggebilde hielt…

Trotz gesundheitlicher Einschränkungen: ein famoser Auftritt

Das Moritz von Oswald Trio besteht aus dem Namensgeber (Keyboards, Percussion) – der übrigens tatsächlich ein Ur-Ur-Enkel von Fürst Otto von Bismarck, dem ersten Deutschen Reichskanzler, ist -,  der amerikanischen DJane Laurel Halo und dem Jazzdrummer Heinrich Köbberling. Das Trio gibt es schon länger, aber in dieser personellen Konstellation erst seit Kurzem. Der Auftritt ist auf eine Stunde reduziert und das hat nicht nur, aber auch, einen traurigen Hintergrund. 2008 erlitt von Oswald während einer Langstrecken-Flugreise einen Schlaganfall und muss seine Sets seitdem zeitlich limitieren. Das Erlebnis für das Publikum wird dadurch allerdings nicht beeinträchtigt, es geht intensiv zu, in dieser Konzentration ist man als Besucher auch mit einer Länge von einer Stunde überaus zufrieden gestellt.

Retro-Sounds dominieren den Start

Der Beginn ist rhythmisch-treibend, schnell wird es aber danach mit Sirenen-artigen Industrial-Sounds dunkel-sphärisch. Der Schlagzeuger setzt zunächst auf einen Drum’n’Bass-Beat, die ersten Minuten sind von den Synthie-Sounds eine Zeitreise zu Elektronik-Pionieren der 70er Jahre à la Tangerine Dream, ebenso schillert die Post-Punk-Formation Throbbing Gristle durch. Von Oswald’s Keyboard-Bass weckt Assoziationen an das legendäre Produzenten-Team Jimmy Jam und Terry Lewis (Janet Jackson, Human League etc.): tief, langgestreckt und flächig wird der Besucher in die musikalische Welt des Trios hineingezogen.

Erst kein Groove, dann doch

Der Effekt könnte ziemlich hypnotisch sein, aber genau das ist anscheinend nicht gewollt. Das Live-Schlagzeug schafft mit seinem krachenden Sound eine musikalische Gegenwelt zu den Aktivitäten des restlichen Trios und erzeugt damit zwar in diesem Moment keinen Groove (wie gesagt: hier bewusst nicht gewollt), aber eine faszinierende, vibrierende Grundspannung. Kurz: viel Schlagzeug, aber dennoch kein Rhythmus. Es könnte der Soundtrack zu einem Low-Fi Science Fiction sein – ist von Oswald ein Eraserhead-Fan? -, was da von der Bühne hinüber gewabert kommt. Dieses Wabern entwickelt sich aber so langsam zu einem vornehmen Brodeln und wird – nach einer kakaphonischen Zwischenphase – tatsächlich, wer sagt’s denn! – doch noch groovy, man darf zumindest im Sitzen mit den Füßen wippen.

Auch der Herr Intendant outet sich als Moritz von Oswald-Fan

Ein atmosphärisch dichtes Konzerterlebnis, das beim Intendanten der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, auf Begeisterung stieß: „Die musikalische Entwicklung von Moritz von Oswald verfolge ich seit vielen Jahren, ich finde ihn einfach überragend. Auch der heutige Abend war Spitzenklasse. Ich finde es sehr interessant, dass das Live-Schlagzeug quasi so auf die Maschine draufspringt, das gibt eine enorme Spannung in der Musik.“

Text von Cetin Yaman 






cityglow autor

Michael Panusch

Als leidenschaftlicher Storyteller und urbaner Enthusiast hat Michael Panusch schon immer den Finger am Puls der Stadt gehabt. Als treibende Kraft hinter dem Cityglow Magazine versucht er, die ungesehenen Ecken, die unerzählten Geschichten und die dynamische Atmosphäre von unseren Metropolen zu beleuchten. Mit seinem scharfen Blick für Details und seiner Vorliebe für die Avantgarde spiegeln Michaels Artikel nicht nur seine Liebe zu urbanen Landschaften wieder, sondern bieten auch eine neue Perspektive auf das Stadtleben.

cityglow

CITYGLOW: Beleuchte den Puls des urbanen Lebens!

Das könnte dich auch interessieren

„O’zapft is!“

Erleben Sie das Wiesn-Feeling im BLOCKBRÄU, Hamburgs schönstem Brauhaus an den Landungsbrücken, in Gesellschaft vieler prominenter Gäste. Am Samstag, den…

O´zapft is – Fassanstich beim Wandsbeker Oktoberfest

Das Oktoberfest 2023 ist gestartet! Aber warum nach München fliegen, wenn die bayrische Lebensfreude auch zünftig hier in Hamburg gefeiert…

Kunststar Egzona Popovci präsentiert neue Ausstellung im Hanseviertel

Egzona Popovci, eine aufstrebende Künstlerin aus Hamburg, hat in der Kunstszene bereits für Furore gesorgt. Ihre jüngste Ausstellung im Maritimen…

Berlin im Bann der Kunst

Die Berlin Art Week im September ist ein absolutes Muss für alle Kunstliebhaber und -interessierten. Während dieser Woche werden hunderte…

Feststimmung bei Norddeutschlands größtem Oktoberfest

Vom 15. September bis 2. Oktober ist es wieder soweit, der Wandsbeker Marktplatz verwandelt sich in eine bayerische Fest-Oase. Auch…

Komödie „Die lieben Eltern“ neu im Neuen Theater

Pierre, Jules und Louise lieben sich und ihre Eltern über alles. Zwar könnte das Geschwister-Trio unterschiedlicher kaum sein, aber das…